Mensch gegen Maschine

Seit der Erfindung der Maschinen erleichtern wir uns mit ihrer Hilfe die Arbeit, können Produkte schneller und billiger herstellen und ermöglichen somit materiellen Wohlstand für viele Menschen. Warum wird dann aber alles immer teurer? Warum müssen wir immer mehr arbeiten, immer effizienter werden für immer weniger Geld? Warum werden einige wenige Reiche reicher und die Masse der Bevölkerung ärmer?

Ein Grund dafür sind die Maschinen, Automaten und Computer. Die Produktivitätssteigerung und somit Wohlstandsgewinne, die mit ihrer Hilfe erwirtschaftet werden, wurden früher z.B. über Arbeitszeitverkürzung an die Lohnarbeiter weitergegeben. Das passierte aber schon länger nicht mehr. Stattdessen „wurden in den alten Industrieländern immer größere Niedriglohnsektoren aufgebaut und wuchert Teilzeitarbeit und versteckte Arbeitslosigkeit“, wie Joachim Jahnke feststellt [1]

Maschinen werden immer billiger und leistungsfähiger und menschliche Arbeitskraft wird dementsprechend relativ gesehen immer teurer. Die Menschen müssen mit den billigeren Maschinen konkurrieren, sich billiger verkaufen, wenn sie nicht durch diese ersetzt werden wollen.

„Wie viele Daten belegen, werden die Wohlstandsgewinne durch die Produktivitätssteigerung überproportional von den obersten Einkommensgruppen eingesteckt. Der Druck auf die unteren Einkommensgruppen nimmt dagegen gleichzeitig zu. Die Komplexität der Jobs steigt und damit die Konkurrenz um die Arbeitsplätze, die weniger Fähigkeiten und Bildung verlangen.“

Und das Problem bleibt nicht im Niedriglohnsektor. Der Nobelpreisträger Paul Krugman zweifelt in seiner Kolumne [2] an, dass das System so weiter funktionieren kann und schlägt vor, es zu ändern. Denn er sieht  massive Probleme nicht nur für die weniger qualifizierten sondern auch für die hoch qualifizierten Fachkräfte kommen. Computer und Roboter greifen jetzt auch nach deren Arbeitsplätzen. Und Krugman fragt zurecht: „Was passiert mit uns, wenn wir uns, wie viele Studenten, hoch verschulden, um Fertigkeiten zu erlangen, von denen man uns sagte, wir würden sie brauchen, nur um festzustellen, dass die Wirtschaft diese Fertigkeiten doch nicht mehr braucht?“

Und er stellt fest:

„Bildung ist dann nicht mehr die Lösung für steigende Ungleichheit, falls sie das überhaupt jemals war (was ich bezweifle). … Um etwas wie eine Mittelschicht zu haben … brauchen wir ein starkes soziales Netz; eins, das nicht nur Krankenversicherung, sondern auch ein Mindesteinkommen garantiert.“
Und dieses soziale Netz müsste finanziert werden aus Steuern auf Gewinne und Investitionen, also alle Arten von Kapitaleinkommen.

Das ist die Schattenseite der Maschinen: die Produktivitätssteigerung und damit der Gewinn, der durch ihren Einsatz entsteht, kommt nur denen zuteil, die diese Maschinen besitzen. Die Menschen, die auf ein Einkommen aus Lohnarbeit angewiesen sind, haben nichts davon, sondern müssen nun mit diesen Maschinen um einen Arbeitsplatz konkurrieren. Keine Frage, hat uns die Industrialisierung und die Erfindung von Maschinen und Computern Wohlstand beschert und ihn auch für viele Menschen zugänglich gemacht. Es hat aber auch dazu beigetragen, das Eigentum (Sach- und Geldkapital) immer ungleicher zu verteilen.

So, wie unser System aktuell funktioniert, schneiden wir uns sozusagen ins eigene Fleisch. Denn durch die Maschinen können Produkte zwar schneller und billiger hergestellt werden. Sie treffen gleichzeitig aber auf schwindende Massenkaufkraft, denn die Lohnarbeiter verlieren entweder ihren Arbeitsplatz (= Einkommen), oder müssen mit weniger Einkommen auskommen, weil sie mit den Maschinen in Konkurrenz stehen. Diese schwindende Massenkaufkraft ist auch ein Grund für die Unternehmen, immer billiger herstellen zu müssen, was oft mit dem Einsatz von Maschinen verbunden ist.

Eine Möglichkeit diesen Teufelskreis zu durchbrechen, wäre die Umverteilung, wie sie Krugman vorschlägt. Man besteuert Kapitaleinnahmen und verteilt so einen Teil des leistungslosen Einkommens aus Maschinenarbeit auf die Masse. Allerdings sehen Krugman und Jahnke diese Umverteilung an ein Mindesteinkommen mit Arbeitsplatz verbunden. Ich frage mich allerdings, wie sich das rechnen soll, wenn die Menschen Geld (und Zeit) in ihre Ausbildung stecken, das sie nie wieder rausbekommen, weil das Mindesteinkommen nicht hoch genug ist?

Abgesehen davon nützt ein Mindestlohn nur denen, die einen Arbeitsplatz haben. Und wenn die Automation immer weiter fortschreitet, brauchen wir immer weniger menschliche Arbeitskräfte.

Fragen wir uns mal, wie die Zukunft aussehen könnte.

Was ist denn, wenn wir irgendwann mal nahezu grenzenlos Energie gewinnen können (natürlich sauber und nachhaltig), und damit Maschinen und Roboter versorgen, die alle notwendigen Arbeiten erledigen, die wir zum komfortablen Leben brauchen? Wenn es bezahlte Arbeitsplätze nur noch in ganz wenigen Bereichen, wie z.B. im sozialen und kreativen Bereich oder der Forschung, gibt, diese Arbeitsplätze aber nicht ausreichen um genügend Menschen mit Einkommen zu versorgen? Was tun wir dann?

Was, wenn wir bald alle „arbeitslos“ sind? Ist das schlimm? Eigentlich nicht. Fragt man die Menschen, was ihre größte Angst ist, bekommt man meistens als Antwort: Arbeitslos zu sein. Fragt man aber nach ihrem größten Wunsch, hört man fast ausschließlich: Genug Geld zu haben, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Wir wollen arbeitslos sein, wir wollen nur nicht Einkommens-los sein. Wir wollen nicht des Einkommens wegen einer Tätigkeit nachgehen, die uns keinen Spaß macht. Wir wollen aber nicht untätig sein. Zu tun gibt es genug. Die Ideen, was wir sinnvolles mit unserer Zeit anfangen können – nennen wir es „Arbeit“ – werden uns nicht ausgehen. Lediglich bezahlte Arbeitsplätze werden knapper werden. Und das ist ein Problem, solange wir darauf pochen, dass Einkommen (auch ein Mindestlohn oder Mindesteinkommen) mit einem Arbeitsplatz verbunden sein muss. 

Was tun wir also, wenn wir alles haben, was wir brauchen und uns die bezahlten Arbeitsplätze ausgehen?
Wollen wir neben dem staatlich garantierten Mindestlohn auch noch einen Arbeitsplatz staatlich garantieren? Und führen so quasi den Kommunismus ein?
Besser wir führen ein bedingungsloses Grundeinkommen ein und verteilen einen Teil der Wohlstandsgewinne durch die Maschinen gleichmäßig auf alle Menschen. Ob sie einer bezahlten Tätigkeit nachgehen, oder einfach nur ihre Kinder erziehen, ihre Eltern pflegen oder sich in Vereinen engagieren, etc.
Es ist ja nichts dagegen zu sagen, einen Arbeitsplatz mit einem Einkommen zu verbinden. Aber wir sollten nicht das Einkommen, das wir zum Leben brauchen an einen Arbeitsplatz binden. Nicht vor dem Hintergrund und mit dem Wissen, dass immer mehr Arbeitsplätze, also Einkommensplätze, von Maschinen übernommen werden!

Wenn Wachstum und Bildung mit Schuld an unserer Lage haben, können die beiden ja wohl nicht die Lösung sein, um uns da wieder raus zu holen, oder?

Wobei ich Krugman da ein bisschen widersprechen möchte: Bildung kann ein Weg aus der Misere sein. Nicht, wenn man sie im Sinne von Berufsausbildung sieht. Aber wenn die Masse ein besseres Verständnis unserer volkswirtschaftlichen Probleme hätte, würde das Volk dafür sorgen, dass die Politiker über echte neue Lösungsansätze nachdenken.

Bis dahin halte ich mir die Ohren zu, wenn ich während des kommenden Wahlkampfs mal wieder aus allen Ecken höre: 

Wachstum und Bildung!
Bildung und Wachstum!
Wachstum und Bil …


[1] Arbeitnehmer unter Dreifachdruck. www.jjahnke.net

[2] Sympathy for the Luddites