Lesung: „Was fehlt, wenn alles da ist?“ von Daniel Häni

Gestern Abend am 27.11.2015 war ich auf der Lesung zu Daniel Hänis und Philip Kovces Buch „Was fehlt, wenn alles da ist?“

Es war insgesamt ein netter Abend. Die Ausschnitte aus dem Buch fand ich fantastisch und ich kann es kaum erwarten, den Rest zu lesen. Ich hätte aber gerne noch zwei Kritikpunkte vorgebracht, wofür leider keine Zeit mehr war. Deswegen möchte ich das mal auf diesem Wege tun.

 1. „Mit Grundeinkommen gibt es nicht mehr Geld, das BGE wächst in den bestehenden Lohn hinein. Jemand, der z.B. 3000 € Erwerbseinkommen hat, bekommt mit 1000 € BGE noch nur 2000 € Lohn.“
Das klingt erst mal einleuchtend. Gilt m.M. jedoch nur für dieses und wenige andere Beispiele, wenn nämlich das BGE weniger als die Hälfte des Lohns ausmacht. Der Lohn vieler Menschen in Deutschland ist allerdings so gering, das es unrealistisch erscheint, dass sie nur für einen Bruchteil ihres vorherigen Lohnes weiterarbeiten gehen und den Vorteil, die Einsparung durch die Quasi-Subvention ihres Arbeitsplatzes durch das BGE vollständig ihrem Arbeitgeber „schenken“. Jemand der 1200 € verdient, wird nicht für 200 € Vollzeit weiter arbeiten gehen. Außerdem widerspricht diese Aussage, der Aussage, dass die „Drecks-Arbeit“, die jetzt unterbezahlt ist, endlich besser/adäquat bezahlt wird. Sehr detalliert mit Zahlen und Fakten, habe ich das hier dargelegt.

2. Finanzierung Grundeinkommen durch Anhebung der Konsumsteuer.
Auch das klingt während der Erklärung einleuchtend. Weil ja sowieso alle Steuern irgendwie im Preis enthalten sind und das Grundeinkommen über Steuern finanziert wird, kann man diese Finanzierung auch direkt in die Preise packen und jeder, der Leistung der Wirtschaft  – der anderen – in Anspruch nimmt, sich sein BGE somit sozusagen selbst finanziert.
Dabei lässt Häni m.M. zwei Sachen ausser acht.

a) In den Preisen sind nicht nur Steuern und Löhne, sondern auch Zinsen.

Wobei Häni ja der Ansicht ist, dass auch Zinsen einfach nur Einkommen sind, die wiederum ausgegeben werden, sich also nicht von Lohneinkommen unterscheiden. Von manchen (linken) Kritikern des BGE wird nämlich genau damit das BGE als neo-liberaler Trick abgelehnt. Und diese Kritik kann ich gut verstehen. Das Vermögen ist nämlich sehr ungleich verteilt und diese Kapitalakkumulation nimmt weiter zu. Diese Akkumulation findet durch den Besitz – auch von Geld – statt.  Über Zinsen und Dividenden – versteckt in allen Preisen – werden u.a. die Einkommen der wenigen Vermögenden von allen bezahlt. Und während z.B. der Spitzensteuersatz für die wenigen hohe Einkommen gesenkt wurde, wurde im Gegenzug die Mehrwertsteuer, die alle bezahlen, erhöht. (Was auch vorgestern Abend in extra 3 kritisiert wurde. Ab Min. 30.) Bei einer Finanzierung des BGE über eine Erhöhung der Mehrwert- oder Konsumsteuer, bei gleichzeitiger Abschaffung aller anderen Steuern, würden die Vermögenden der Besteuerung größtenteils entgehen. Denn im Gegensatz zu den Nicht-Vermögenden, die 90%- 100% ihres (Erwerbs-) Einkommens „verkonsumieren“ müssen, um die alltäglichen Notwendigkeiten und bescheidenen Annehmlichkeiten zu kaufen, wird bei den Vermögenden nur ein geringer Prozentsatz des Einkommens für den Lebensunterhalt gebraucht. Der Rest wird in die Vermehrung des Vermögens gesteckt. Womit wir zum zweiten blinden Fleck kommen.

b) „Wer kein Einkommen hat, schadet der Wirtschaft.“
Ja, denn wer kein Einkommen hat, kann nicht konsumieren und schadet der Wirtschaft, weil er durch fehlende Nachfrage keine Arbeitsplätze sichern kann. Aber dann soll über die Konsumsteuer wiederum jeder, der konsumiert und (somit eigentlich im Umkehrschluss) der Wirtschaft etwas Gutes tut, „bestraft“ werden. „Weil er die Leistungen der anderen in Anspruch nimmt.“ – Sorry, aber diesen Widerspruch verstehe ich nicht. Was ich jedoch verstehe, ist: Wer nicht konsumiert schadet der Wirtschaft. Kurzfristiges Sparen für eine größere Anschaffung (Auto, Haus, etc.) ist OK. Aber permanentes „Zurückhalten“ von Kaufkraft, wie es die Vermögenden praktizieren, schadet in der Tat der Wirtschaft. Während die Wirtschaft wegen mangelnder Nachfrage in die Rezession rutscht und sich zusammen mit Staat und privaten Haushalten immer mehr verschuldet, um das zurück gehaltene Geld durch immer neue Kredite (neu geschöpftes Geld) zu ersetzen, wachsen auf der anderen Seite die Asset-Preise (Aktien, Grundbesitz, etc.), weil die Vermögenden  nach Anlage-Möglichkeiten für ihr nicht gebrauchtes Einkommen suchen.

Die Vertreter von „radikalen“, alternativen Ideen für die Wirtschaft (Grundeinkommen, Vollgeld, Freigeld nach Gesell, etc.) nehmen oft für sich in Anspruch, ihre Idee wäre das Allheilmittel und die anderen Ideen würden nicht funktionieren, weil sie „das und jenes Problem“ nicht beheben würden. Ich bin der Meinung, dass keine dieser Ideen für sich alleine „das Allheilmittel“ ist, das alle Probleme unseres Systems auf einen Schlag löst. Und ein BGE, das (rein) über Konsumsteuer finanziert würde, und dabei die Umverteilung, bzw. Kapitalakkumulation, durch Zinsen ignoriert, und sie sogar noch verstärkt, kann m.M. nicht funktionieren.

Eine stabile BGE-Finanzierung muss auch dieses Problem ins Auge fassen.