Über Vollgeld

Vollgeld gibt der Zentralbank die Möglichkeit die Geldmenge unmittelbar und exakt zu steuern. (Warum das wichtig ist, weiter unten im Exkurs)

Unser aktuelles Geldsystem

Derzeit werden ca. 80-90% des umlaufenden Geldes (Giral- oder Buchgeld) von Geschäftsbanken geschaffen. Wie das geht, fragen Sie? Ganz einfach: Banken verleihen kein Geld, sie gewähren Kredit, was heißt sie schöpfen Geld aus dem Nichts. (Deswegen wird es auch Fiat-Money genannt. Fiat, Lateinisch für „es werde“)

Der Unterschied zwischen Geld verleihen und Kredit gewähren ist einfach. Stellen Sie sich vor, Sie sind in Ihrer Stammkneipe und stellen beim Bezahlen fest, dass Sie Ihr Geld vergessen haben.

Möglichkeit 1: Geld leihen.
Sie fragen Ihren Freund, ob er Ihnen das Geld leiht, damit Sie den Wirt bezahlen können. Es fließt physisches Geld (Bargeld), von Ihrem Freund zu Ihnen, dann zum Wirt. (Das funktioniert natürlich aber nur, wenn Ihr Freund genug Geld dabei hat.)

Möglichkeit 2: Kredit gewähren.
Sie fragen den Wirt, ob Sie anschreiben können und beim nächsten Mal bezahlen können. Der Wirt gewährt Ihnen Kredit und schafft somit Geld aus dem Nichts. Dafür braucht der Wirt überhaupt kein Geld. Er muss nur abwägen, ob er das Risiko eingehen kann, den Betrag zu verlieren, falls Sie wider erwarten doch nicht mehr wieder kommen, oder sterben, etc. und Ihre Schuld nicht begleichen.

Nichts anderes macht eine Bank, wenn sie Ihnen „Geld leiht“. Sie wägt ab, wie hoch das Risiko ist, das Geld zu verlieren und preist das in die Zinskonditionen ein. Dann schafft sie das Geld aus dem Nichts, sprich: sie schreibt den Betrag gleichzeitig auf Ihr Girokonto (rechte Bilanzseite, Passiva) und in Ihre Kreditschuld (linke Bilanzseite, Aktiva). Somit steigt die Bilanzsumme der Bank, die Bilanz ist „verlängert“, aber immer noch ausgeglichen. Es gibt jetzt mehr Geld, nämlich genau den Kreditbetrag, den Sie von der Bank bekommen haben.
Es ist hier kein Geld von einem Konto der Bank auf ihr Konto geflossen. Es wurde kein Posten der Bank um den Betrag, der auf ihrem Konto erscheint, verringert.

Der Unterschied zwischen dem Kredit des Gastwirtes und dem der Bank ist einfach der, dass Sie mit dem Ersten lediglich die Waren des Gastwirtes bekommen, also „kaufen“ können. Während bei dem Zweiten die Bank eine allgemein anerkannte Information erschafft (Zahlen auf Ihrem Girokonto), für die die Bank bürgt und weswegen Sie damit überall einkaufen können. Ähnlich, als würden Sie Ihre Brötchen beim Bäcker, mit mit dem Versprechen auf (noch nicht bezahltes) Bier in Ihrer Stammkneipe bezahlen.

Grundsätzlich ist das Giralgeld, auf Ihrem Konto lediglich eine Forderung an die Bank. Es ist die Information, dass die Bank Ihnen diesen Betrag jederzeit in Bargeld auszahlt. Das „Geld“ auf Ihrem Konto ist kein gesetzliches Zahlungsmittel. Das sind lediglich Euroscheine und -Münzen. [1] Das ist auch der Grund, warum Geschäftsbanken „Geld schöpfen“ können. Denn das Herstellen von gesetzlichen Zahlungsmitteln ist dem Staat vorbehalten und allen Anderen unter Strafe verboten. Die Banken müssen aber auch kein gesetzlichen Zahlungsmittel herstellen, es reicht wenn sie Buchgeld herstellen, was eben nichts weiter ist, als das Versprechen, diesen Betrag jederzeit in bar, also gesetzlichem Zahlungsmittel, auszubezahlen. [2]

Die Banken können aber nicht beliebig viel dieses Buchgeldes herstellen. Die Kreditvergabe der Banken ist durch zwei Sachen eingeschränkt.
Erstens muss sie entsprechend dem Risiko des Kreditausfalls Eigenkapital vorhalten. Wenn ein Kredit ausfällt, muss die Bank dies sozusagen von ihrem eigenen Geld ausgleichen.
Zweitens muss sie für die Einlagen der Kunden (Girokonto, etc.) einen gewissen Anteil Bargeld vorhalten (Mindestreserve), sozusagen für den Fall, dass jemand tatsächlich mal Bargeld abheben will. Diese Mindestreserve beträgt derzeit im Euroraum 1%

Die Zentralbank wird von den Geschäftsbanken zum Refinanzieren (Bilanz ausgleichen) gebraucht. Wenn es schlecht läuft, wie aktuell, wird sie mehr gebraucht, wenn es gut läuft, leihen sich die Banken untereinander Geld. Dann kann die Geldmenge munter wachsen, ohne großartigen Einfluss der Zentralbank.

Die Zinsen und „Geld-Kontingente“, die die Zentralbank den Geschäftsbanken zur Verfügung stellt, beeinflussen die Kreditvergabe also nur teilweise. Die Kreditvergabe wird viel stärker von der Risikoeinschätzung und den Gewinnaussichten beeinflusst. Die Zentralbank kann die Geldmenge nur indirekt steuern.

Das schwierigste an dieser Situation ist jedoch, dass die Zentralbank antizyklisch agiert, während die Geschäftsbanken pro-zyklisch handeln. Die Zentralbank versucht den Markt mit niedrigen Zinsen zu stimulieren, wenn er lahmt und ihn mit hohen Zinsen zu drosseln, wenn er boomt, um eine „Überhitzung“ zu vermeiden. Die Geschäftsbanken agieren dagegen komplett anders. Wenn die Wirtschaft boomt, ist „viel Geld im Umlauf“, die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung von Krediten ist hoch, die Gewinnmargen sind hoch, also werden die Geschäftsbanken viele Kredite vergeben. In der Rezession ist es genau anders herum. Es ist wenig Geld im Umlauf, die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen ist hoch, also ist die Kreditvergabe seitens der Banken restriktiver.

Und in diesem Umfeld soll die Zentralbank die Geldmenge exakt steuern, damit die Preise halbwegs stabil bleiben!?

Exkurs:
Die Geldmenge sollte sich der Wirtschaftskraft anpassen. Wenn die Wirtschaft wächst, gibt es mehr Waren im Angebot. Bei gleich bleibender Geldmenge würden aber die Preise sinken. Um die Preise stabil zu halten, muss also die Geldmenge mit der Wirtschaftskraft wachsen. Wächst die Geldmenge schneller, als das Warenangebot, steigen die Preise, was wir als Inflation kennen. Das Gegenteil davon wäre die Deflation, in der die Preise sinken. Davor hat die EZB eine Heiden-Angst, weil dabei immer die Gefahr droht, dass Menschen Käufe hinaus zögern, in der Hoffnung, die Preise fallen noch weiter. Das ist aber extrem gefährlich, weil das den Geldfluss zum Erliegen bringen kann. Deswegen setzt die EZB alles auf Inflation und sorgt mit niedrigen Zinsen dafür, dass die Geldmenge stetig wächst. Die Ökonomen sehen in der Inflation eine Art Umlaufsicherung, die die Menschen dazu animieren soll, ihr Geld auszugeben, weil es im Laufe der Zeit immer weniger wert ist.

Vollgeld

Geldschöpfung

Beim Vollgeld wird alles „Geld“, auch das auf Griokonten, zu gesetzlichem Zahlungsmittel, also „echtem Euro“ deklariert. Dadurch dürfen und können Geschäftsbanken kein Geld mehr bei Kreditvergabe schöpfen. Sie müssen nun tatsächlich Geld verleihen, also Geld, das sie haben, von einem Konto auf ein anderes transferieren, ähnlich wie bei einer Überweisung.

Somit können Banken nicht mehr in Boom-Zeiten (nahezu) beliebig viele Kredite vergeben (= Geld schöpfen). Sie können nur verleihen, was auch da ist, bzw. was die Zentralbank an „neuem Geld“ zur Verfügung stellt.

So kann die Zentralbank die Geldmenge exakt steuern und viel genaueren Einfluss auf die Preise nehmen. Die Preisentwicklung unterliegt natürlich auch anderen Einflüssen, als nur der Geldmenge. Sie ist auch stark von Angebot und Nachfrage abhängig. Aber eine stabile Geldmenge ist Voraussetzung für stabile Preise.

Bankenpleiten / Bankrun

Dadurch dass etwa 10 mal mehr Buchgeld (Giralgeld) als Bargeld exisitiert besteht immer die Möglichkeit eines Bankruns. D.h. wenn es Misstrauen gegenüber einer Bank gibt und die Kunden ihr Geld von dort abheben, werden nur die Ersten tatsächlich Bargeld bekommen. Schon nach einem Bruchteil der Kunden geht der Bank das Geld aus und sie wird zahlungsunfähig (kann die Konten nicht mehr auszahlen). Ab dann hilft noch ein bisschen der Bankensicherungsfonds, der die Einlagen der Kunden sichern soll, aber es werden nicht alle ihr Geld (als Bargeld) zurückbekommen. Denn das „Geld“ auf dem Girokonto ist (wie schon gesagt) lediglich die Forderung an die Bank auf Bargeld.

Mit Vollgeld gäbe es dieses Problem nicht mehr. Denn das Giralgeld wäre per se schon gesetzliches Zahlungsmittel und nicht mehr nur ein Versprechen auf Auszahlung Selbigen. Bei einem Bankrun bekommt man dann vielleicht auch kein Bargeld, was aber nicht notwendig ist, denn es sind ja „echte Euros“, womit sich die Wahrscheinlichkeit eines Bankruns und der Zahlungsunfähigkeit daraus reduziert.

Wie kommt das Geld in Umlauf?

Derzeit wird Geld nur durch Kreditvergabe geschöpft. Sowohl von der Zentralbank, als auch den Geschäftsbanken. Was aber bedeutet das?

1. Wenn die Wirtschaft wächst, muss sich jemand verschulden. (Um die Geldmenge entsprechend dem Warenangebot zu erhöhen, sonst droht Deflation.) Somit ist das von den Politikern gepredigte „Wachstum“ immer mit neuen Schulden verbunden.
2. Wenn jemand einen Kredit tilgt, schrumpft die Geldmenge um diesen Betrag. Das Geld wird „vernichtet“.
3. Wenn wir alle unsere Schulden zurück zahlen, haben wir kein Geld mehr.

Wir, die Gemeinschaft, kann also niemals Schulden-frei sein. Ein Einzelner kann schon Schulden-frei sein, wenn dafür jemand anders verschuldet ist. Wenn der Staat seine Schulden zurück zahlen würde, müssten sich die Wirtschaft und Privatpersonen entsprechend verschulden, sonst würde uns „Geld fehlen“.

Was aber spricht dagegen, dass die Zentralbank das Geld dem Staat schenkt, (oder um der doppelten Buchführung gerecht zu werden, als unbefristetes 0-Zins-Darlehen überlässt)?

Warum muss sich der Staat, wenn seine Einnahmen nicht ausreichen, „am Markt“ Geld leihen, also bei den Geschäftsbanken und Bürgern? Die Idee dahinter ist, den Staat, bzw. die Regierung, die das Geld ausgibt, und denjenigen, der das Zahlungsmittel schöpft, zu trennen. Damit nicht wieder jenes schlimme Phänomen der Hyperinflation der 20er Jahr auftaucht. Man will also die Unabhängigkeit der Zentralbank gewähren. Das ist der offizielle Tenor.

Warum aber sollte die Zentralbank weniger souverän sein, wenn sie der Regierung Geld schenkt, als wenn sie den Banken Kredit gewährt? Sie verliert ihre Unabhängigkeit dann, wenn sie tut, was die Regierung verlangt, bzw. zu ihren Gunsten agiert. Sie ist ein Institution, die unabhängig von der Regierung entscheidet, wie viel Geld die Wirtschaft braucht, damit sie gut funktioniert. Ob sie benötigtes neues Geld nun den Geschäftsbanken als Kredit gewährt, oder der Regierung schenkt oder direkt an die Bürger auszahlt, tut dabei nichts zur Sache.
 
Manche behaupten, dass die EZB ihre Unabhängigkeit ohnehin schon teilweise aufgegeben hat, und im Sinne der Staaten agiert, weil sie die Leitzinsen niedrig hält, damit die Staatsanleihen der PIGS-Staat bezahlbar bleiben.

Achtung Verschwörungstheorie!

Man könnte auch vermuten, dass der Grund, dass sich der Staat am Markt finanzieren soll, der ist, dass man so den Staat in die Abhängigkeit der Geldbesitzer bringen kann. Unser Geldsystem ist ein perfides System, das – so wie es konstruiert ist – zu Gunsten einer ganz kleinen Gruppe arbeitet. Dadurch, dass alles Geld aus Schulden entsteht, müssen permanent Zinsen gezahlt werden. Die Nutznießer dieser Zinsen sind die Banken und einige wenige Netto-Zinsgewinner. Die Netto-Zinsgewinner LINK Umlaufsicherung sind Menschen, die mehr Zinseinnahmen, als Ausgaben haben. Diese profitieren von dem System und vermehren ihren Reichtum auf Kosten der Masse und des Staates (die die Zinsen bezahlen). Dadurch, dass sich der Staat auf dem freien Markt Geld leihen muss, haben sie eine weitere Einnahmequelle und einen weiteren Schuldner gefunden, den sie in ihre Abhängigkeit bringen und so kontrollieren können. Das ultimative Geschäftsmodell

Und die Banken verdienen kräftig mit. So zum Beispiel kaufen sie Staatsanleihen und hinterlegen sie bei der Zentralbank als Sicherheit für „frisches Geld“. Also dadurch, dass die Zentralbank keine Staatsanleihen direkt kauft, sind sie teurer für den Staat. Die Geschäftsbanken sind mehr oder weniger nur Zwischenhändler, die noch was draufschlagen und die Marge einstreichen. [3]

Aber Theorien hin oder her. Weder Vollgeld, noch dessen direktes in Umlauf bringen, würde etwas an der Unabhängigkeit der Zentralbank ändern. Und der Staat kann sich auch weiterhin immer noch am Markt verschulden, wenn er das möchte. Wichtig ist nur, dass die Zentralbank endlich eine effektive Kontrolle der Geldmenge bekommt.

[1] Und Zentralbankgeld
[2] Geld und Geldpolitik – Schülerbuch für die Sekundarstufe II
[3] Martin Blessing im Handelsblatt: Der Tabubruch

Weiterführende Links
Monetative
Vollgeld Iinitiative Schweiz