Über Grundeinkommen

Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein ein staatlich garantiertes und staatlich gezahltes Einkommen. Es steht bedingungslos allen Menschen, unabhängig vom Beschäftigungsgrad, zu, und ist hoch genug, um die Existenz zu sichern, so dass niemand in Armut leben muss. (Die Höhe des BGE variiert in der Diskussion. Meiner Meinung sollten es ca. 800 – 1000 € p.m. sein.)

Das BGE ist kein „Einheitseinkommen“ wie im Sozialismus/Kommunismus. Es wird weiterhin einen freien Markt geben, an dem Menschen ihre Arbeitskraft anbieten und ihren Lohn mit dem Arbeitgeber aushandeln.
Es ist auch kein „Not- oder Ersatzeinkommen“, wie es die aktuelle Grundsicherung (Hartz IV) ist.
Es wird nicht gestrichen, wenn man ein weiteres Einkommen, wie z.B. Lohn aus Arbeit, hat. Es wird bedingungslos jedem Menschen gezahlt, egal was er tut. Ob er einen Arbeitsplatz hat, selbständig ist, als Hausfrau/-mann Kinder erzieht, Angehörige pflegt oder sich mal ein paar Monate Auszeit vom Job gönnt.

Die Idee ist weder „rechts noch links“, sonder ein „dritter Weg: Es ist sozialistischer als jeder Sozialismus, da es jedem Bürger einen Mindestbetrag unabhängig von seiner Leistung garantiert, ohne dabei auf die marktwirtschaftliche Wertschöpfung samt der ihr innewohnenden Kraft der Innovation und Rationalisierung zu verzichten. Damit ist das Grundeinkommen zugleich kapitalistischer als jeder Kapitalismus, da es jeden Bürger mit einer Konsumpauschale ausstattet, durch die sich der ökonomische Wettbewerb erst wirklich frei – weil sozial schonend – entfalten kann.“ [1]

„Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ – Albert Einstein

Volkswirtschaftliche Aspekte (soziale Marktwirtschaft)

Die soziale Marktwirtschaft funktioniert nach aktuellem Konzept nur, wenn das Verhältnis von arbeitenden Einzahlern zu nicht arbeitenden Leistungsempfängern stimmt. Dieses Verhältnis verschiebt sich aber zu Ungunsten der Einzahler. Das hat mehrere Gründe, z.B. die Automatisierung [2,5], die menschliche Arbeitskraft überflüssig macht, oder fehlendes Geld, das Nachfrage generiert.
Jeder „Arbeitslose“ belastet den Staat doppelt: statt ins Sozialsystem einzuzahlen, bezieht er Sozialleistungen daraus.
Das bedeutet, dass die Kosten schlecht planbar sind und wenn eine gewisse Grenze überschritten wird, „kippt“ das ganze System. Um ein Kippen des Systems zu verhindern, werden z.B. Sozialleistungen verringert (siehe Hartz IV)

Bei einem BGE wären die Kosten perfekt berechenbar und die Gefahr des „Kippens“, wie aktuell, nicht gegeben.

Niedriglohn

Die Löhne (in Deutschland) sinken, weil wir mit Maschinen, Computern und der Globalisierung (billigere Arbeitskräfte) konkurrieren müssen und die Absicherung im Sozialsystem immer geringer wird (s.o.). Dazu kommt, dass es mehr Arbeitsuchende, als Arbeitsplätze gibt. Die meisten Menschen sind eben abhängig von dem Einkommen, das sie durch einen Arbeitsplatz erhalten. (Nicht umsonst werden sie „abhängig Beschäftigte“ genannt.) Wenn sie aber davon abhängig sind, dann sind sie in einer schlechten Verhandlungsposition für ihren Lohn, weswegen die Löhne eben von den Arbeitgebern gedrückt werden können. Um dem entgegen zu wirken sind Gewerkschaften entstanden. Menschen haben sich zusammen gefunden, um so gemeinsam stärker gegenüber den Arbeitgebern zu sein. Aber die Gewerkschaften verlieren an Macht und dort wo es keine gibt, können sie auch nicht helfen.
Mit einem BGE ist jeder einzelne Menschen wieder in einer viel stärkeren Position. Er hat ja bereits ein Einkommen und ist nicht mehr so stark auf ein Weiteres angewiesen, weswegen er auf „Augenhöhe“ mit den Arbeitgebern verhandeln kann. [3]

Weiterentwicklung

Wir stehen permanent unter Druck, einen Arbeitsplatz zu ergattern und zu erhalten. (Denn wir sind ja von diesem Einkommen abhängig.) Dazu brauchen wir Bildung, Wissen und Fähigkeiten. Die Anforderungen dafür kommen rein von der Wirtschaft, für die wir arbeiten. Wir rennen in unserem Hamsterrad und sorgen uns nur darum, wie wir darin noch schneller und effizienter rennen können, oder dass wir nicht stolpern und rausfliegen, oder wie wir in ein größeres, schöneres Rad kommen. Wir haben aber keine Zeit, bzw. nicht die Möglichkeit, uns die Zeit und die Muse zu nehmen, einen Augenblick inne zu halten und vielleicht etwas besseres, als das Hamsterrad zu (er-) finden. Die Erfindungen heute, entspringen rein dem Wettbewerbsdruck der Industrie und dienen der Gewinnmaximierung. „Erfindungen“, die uns Gesellschaftlich und menschlich weiter bringen, die wirklich großen Entdeckungen, entstehen nicht in der Industrie. Dafür braucht es Menschen, die Ideen und Träume haben und den Raum, diese auszuloten. Ohne Kosten- und Erfolgsdruck, ohne Gewinnerwartung. Solange diese Menschen aber dazu gezwungen sind, täglich auf dem Arbeitsmarkt sozusagen um ihr Überleben zu kämpfen, haben sie diesen Raum nicht.

Und mehr noch: der Wettbewerbsdruck unter den Arbeitnehmern, der Arbeitsplatzkampf, macht die Menschen krank [4] und trägt auch dazu bei, die Menschen auseinander zu bringen. Statt miteinander zu leben und zu kooperieren, ist „Ellenbogen“ angesagt, denn jeder Andere ist ein potenzieller Konkurrent beim Kampf um den Arbeitsplatz.

Dieses Klima des Konkurrenzdenkens und gehetzt sein dient lediglich der Effizienssteigerung der Wirtschaft, wird uns aber gesellschaftlich, kulturell und menschlich nicht weiter bringen. Dazu brauchen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen, das den Konkurrenzdruck mildert, ein für- und Miteinander fördert und den Menschen den Raum gibt, auch mal eine Idee zu wagen und zu erforschen, ohne unter Gewinnzwang zu stehen und Angst vor finanziellem Ruin zu haben .

Zentralisierung

Wir erleben in vielen Ländern eine „Verstädterung“. Deutschland macht da keine Ausnahme. Dieser Zustrom von Menschen aus ländlichen Gegenden in die Städte ist mit ein Grund, warum dort die Mieten so stark steigen. Dagegen eine Mietpreisbremse einzuführen, ist mal wieder ein Eingriff in den freien Markt. Noch schlimmer aber ist, dass es nicht die Ursachen bekämpft, sondern Symptome mildern soll. Die Ursache für die hohen Mieten ist recht einfach: Angebot und Nachfrage. Auf dem Land gibt es kaum Arbeitsplätze und somit kaum Einkommen. In den Städten sieht es ganz anders aus: dort gibt es Industrie, Gewerbe und Dienstleistung; nicht nur gut bezahlte Jobs und Karrieremöglichkeiten, sondern überhaupt die höhere Wahrscheinlichkeit eine bezahlte Arbeit zu finden. Aber durch einige besser bezahlte Jobs und die starke Nachfrage gehen eben die Preise nach oben. Diese Ursache wird durch eine Mietpreisbremse nicht geändert.

Mit einem BGE würde sich das ändern.
Ländliche Gegenden werden attraktiver, weil man durch das BGE nicht mehr so sehr von einem Arbeitsplatz (-Einkommen) abhängig ist und die Mieten niedrig sind. Mit den Menschen kommt dann auch das Geld (= BGE) und somit die Nachfrage nach Arbeit in diese Gegenden, wodurch Arbeitsplätze geschaffen werden. Es wird also mehr Arbeitsplätze geben und Menschen, die deswegen „zurück auf’s Land“ ziehen, bzw. dort bleiben. Und mit der damit einhergehenden schwindenden Nachfrage nach Wohnungen in der Stadt werden dort die Mieten sinken. Ursachenbekämpfung, statt Symptombehandlung!

Gerechtigkeit

Gerechtigkeit und Fairness sind subjektiv. Trotzdem, oder gerade deswegen möchte ich hier wenigstens zwei Punkte beleuchten.

1. Die „Faulen“ belohnen
Ein Kritikpunkt am Grundeinkommen ist, dass es ungerecht wäre, weil es die „Faulen“ belohnen würde. Falscher kann man das BGE nicht begreifen. Aktuell haben wir trotz Lohnabstandsgesetz viele Menschen, die einem Vollzeitjob nachgehen und trotzdem nicht mehr haben, als Hartz IV oder sogar noch weniger und damit aufstocken (müssen). Diese Menschen werden praktisch dafür bestraft, dass sie arbeiten gehen. Sie könnten auch gleich komplett zu Hause bleiben, und hätten das gleiche Einkommen. Die „Faulen“, die das so machen, werden somit belohnt.
Mit Grundeinkommen aber haben die „Faulen“ nur das Grundeinkommen. Diejenigen aber, die arbeiten gehen, haben ihren Arbeitslohn zusätzlich und somit garantiert mehr, als jemand, der nicht arbeitet.
Für die „echten Faulen“ ist es also egal, ob sie mit Grundsicherung (Hartz IV) oder bedingungslosem Grundeinkommen „nichts tun“. Für die Gesellschaft ist es ebenfalls egal, wie sie die Finanzierung für diese Menschen nennt. Sie finanziert sie jetzt ohnehin schon. Diejenigen aber, die arbeiten wollen und es auch tun, werden aktuell für ihre Bemühungen bestraft, während sie beim Grundeinkommen belohnt werden. Ein Grundeinkommen ist für mich viel gerechter, als unser aktuelles System.

Statt ein Grundeinkommen abzulehnen, aus Angst, wir könnten ein paar „Faule belohnen“ (das tun wir ja ohnehin schon), sollten wir uns lieber fragen, ob wir die „Fleißigen“ weiterhin bestrafen wollen.

2. Rationalisierung
Nur ein sehr kleiner Kreis profitiert tatsächlich von Rationalisierungen.
Obwohl es eigentlich für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft gut ist, wenn Menschen aus ihrem Arbeitsplatz entlassen und durch Maschinen ersetzt werden. Denn diese Menschen sind nun frei eine andere, sinnvollere Tätigkeit auszuüben und die Entwicklung unserer Gesellschaft voran zu treiben. Das Problem dabei ist jedoch, dass der Gewinn durch diese Rationalisierung nur ganz wenigen Menschen zu Teil kommt. Diejenigen, die ihren Arbeitsplatz (=Einkommensplatz) verlieren, haben nichts von diesem technologischen Fortschritt. Im Gegenteil: es ist nun so, dass sie mit den viel billigeren Maschinen konkurrieren müssen.
Also ist es dann nicht gerecht, wenn wir einen Teil, den die Maschinen erarbeiten, an alle Menschen (um-) verteilen, damit sie die Produkte, die die Maschinen herstellen auch kaufen können? Und haben nicht diese Menschen auch dazu beigetragen, die Maschinen zu bauen? Je mehr Maschinen den Menschen die Arbeit abnehmen, und je weniger (Lohn-) Arbeitsplätze es gibt, umso stärker brauchen wir einen Ausgleich, weil sonst ein immer größerer Teil der Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgegrenzt wird.

Volkswirtschaftlich gesehen ist es sogar fatal, dass der Gewinn durch die Rationalisierung nur einigen Wenigen zu Gute kommt, weil dadurch Massenkaufkraft verloren geht. Wo sich Geldkapital konzentriert, will es eher Rendite-trächtig angelegt werden, es fragt weniger Produkte und Dienstleistung nach, weswegen noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen.
Und was machen wir, wenn Zukunftsvisionen Realität werden? Wenn es keine Lohnarbeitsplätze mehr gibt, weil Roboter alle Arbeiten erledigen? Wer soll die Arbeit der Roboter bezahlen, wenn niemand Geld hat, weil niemand einen Arbeitsplatz hat?
Meiner Meinung nach geht kein Weg daran vorbei: wir brauchen eine Ausgleich, der Massenkaufkraft sichert. Sonst bricht unsere Gesellschaft zusammen. [5]

Weiterführende Links
Wikipedia: Bedingungsloses Grundeinkommen
Unternimm die Zukunft von DM-Gründer Götz Werner
Eine Initiative Schweiz in der Schweiz ist bereits soweit gekommen, dass es eine Volksabstimmung über das BGE geben wird.

[1] Philip Kovce in der FAZ: Die Revolution der Möglichkeiten

[2] Joachim Jahnke
Wochenbrief 170: Arbeitnehmer unter Dreifachdruck: Die Konkurrenz der Niedriglohnländer, der Automaten und der Kollegen/innen

[3] Joachim Jahnke
Wochenbrief 176: Niedriglohnmeister Deutschland: Immer mehr Niedriglöhne, immer mehr Befristungen, immer mehr Duckmäusertum

[4] Joachim Jahnke
Wochenbrief  190: Weil Du weniger verdienst, mußt Du früher sterben und die Renten der Besserverdiener subventionieren

Wochenbrief  189: Neoliberaler Turbokapitalismus: Die Psyche spielt nicht mehr mit

[5]
heise.de:
CCC-Sprecher warnen vor nächster Rationalisierungswelle
Computer machen die Arbeit. Was machen wir?
Marc’s Blog:
Mensch gegen Maschine

Warum ich gegen Mindestlohn und für Grundeinkommen bin