Kommentar zu: Das Grundeinkommen ist verführerisch – und gefährlich

Dies ist ein Kommentar zum Kommentar von Nikolaus Piper in der SZ: Das Grundeinkommen ist verführerisch – und gefährlich
 
Der Autor knallt ein paar Argumente auf den Tisch, die die Gegner des BGE in ihrer Meinung bestätigt und und die Gegenposition anscheinend bekräftigt. Nur leider vergleicht er Äpfel mit Birnen, und stellt wahllose Behauptungen in den Raum, die er dann als Fakten verkauft. Das perfide ist, dass es bestimmt prima funktioniert. Jemand der „aus dem Bauch heraus“ gegen ein Grundeinkommen ist [1], sich nicht wirklich damit und den Argumenten der Befürworter beschäftigt, die Behauptungen nicht hinterfragt, nimmt das als schlüssige Argumentation hin und fühlt sich bestätigt. Aber jemand, der sich mit dem BGE beschäftigt, durchschaut das Spiel recht schnell.
Nun aber im einzelnen zu den Punkten, die ich kritisieren möchte:
 
1. Eine Billion Euro Grundeinkommen aus 800 Mrd. Euro Steuern bezahlen. 
Als Dipl. Volkswirt sollte Herr Piper wissen, dass es neben den Steuern noch die Sozialausgaben in Deutschland gibt, die nicht zu unterschätzen sind. Würde man die Sozialausgaben anders verteilen, könnte man damit schon einen Großteil des Grundeinkommen finanzieren. Aber wenn man das verschweigt und stattdessen nur mit Steuern kommt, kann man natürlich leichter den Eindruck erwecken, das Grundeinkommen würde uns „irre viel kosten“ und wäre „nicht zu bezahlen“.
 
2. Keine Bedarfsprüfung heißt: Bedürftige bekommen auch nicht mehr.
Jetzt werden die BGE Befürworten mal schön in die Schublade bescheuerter, radikaler Fanatiker gesteckt. Welcher Befürworter will ein Grundeinkommen denn so einführen? Keine Bedarfsprüfung bezieht sich auf das Grundeinkommen, das es ohne Bedarfsnachweis gibt. Aber Menschen, die mehr benötigen, weil sie z.B. auf irgendeine Weise beeinträchtigt sind und Hilfe benötigen, sollen natürlich mehr bekommen, als nur BGE. So, wie heute auch. Es soll niemand schlechter gestellt werden. Die Befürworter sind eher philantrop, weniger Idioten.
 
3. Anerkannte Flüchtlinge bekommen sofort BGE und das wäre ein Problem
Zum Schluss noch die ganz große Angstkeule?! Naja, aber zum Argument: auch wenn das Grundeinkommen ein Grundrecht und bedingungslos sein soll, wird man wohl nicht umher  kommen, es zumindest doch an einige Bedingungen zu knüpfen, wie z.B. Staatsbürgerschaft und ständiger Wohnsitz.
(Abgesehen davon: BGE für 82 Millionen oder 1 Millionen „Einwanderer“ mehr … so what? Man muss die Finanzierung nur ordentlich aufziehen. Geld ist genug da, nur nicht da, wo es gebraucht wird. Aber das ist eine andere Geschichte.)
 
Diese beiden Argumente sind lediglich Behauptungen, die wohl den Anschein erwecken sollen, wie „unüberlegt“ die Befürworter sind oder wie „unausgegoren“ die Idee ist. Es zeigt aber eigentlich nur, dass die Gegner außer Augenwischerei und Taschenspielertricks eigentlich keine richtigen Gegenargumente haben. Mit falschen Behauptungen Angst schüren, ist alles, was ihnen bleibt.
 
4. Last but not least: … die zutiefst ethische Dimension
… und die ist meiner Meinung nach die Frage: Was ist ein Mensch wert? 
Das heutige System (solidarischer Sozialstaat) sagt: „Du musst erst beweisen, dass du etwas wert bist [2], bevor du selbst dir das Recht erwirbst, von anderen unterstützt zu werden.“
Das BGE sagt: „Jeder Mensch, der auf die Welt kommt ist wertvoll. Und deswegen bekommt er ein (Grund-) Einkommen, damit er die (Lebens-) Voraussetzung hat (Wohnung, Nahrung, Existenz-würdiges und Angst-freies Leben), zu beweisen, dass auch er zur Gesellschaft etwas beitragen kann. Damit er sein Potenzial entfalten kann. (Auch, wenn diese Potenzial nicht unbedingt dem Idealbild der Wirtschaft entspricht.)“
Die Idee mit dem Sozialstaat ist nur eine Moralvorstellung, die unsere Gesellschaft entwickelt hat. (Keine schlechte.) Aber um die „ethische Dimension“ zu ergründen, von der der Autor redet, muss man schon ein paar Schritte weiter gehen und seine eigenen Moralvorstellungen kritisch hinterfragen und sich über eben diese Moral hinweg mit der Frage nach dem Wert eines Menschen an sich beschäftigen. Ist nicht ganz einfach, weiß ich aus eigener Erfahrung, kann ich aber nur empfehlen. 😉
 


[1] Was ja leider auf die meisten zutrifft, die in unserer Leistungsgesellschaft groß werden. Und das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung.

[2] … oder zumindest beweisen, dass du würdest, aber nicht kannst