Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied!

Glück hat viele verschiedene Facetten und es gibt wohl unzählige Sprichwörter und Weisheiten, was Glück ist, oder wie man es findet. Ich will hier aber nicht den philosophischen Aspekt beleuchten, sondern eine andere Seite dieses Spruchs aufgreifen. Nämlich die der Grundeinkommensgegner, die das BGE mit eben diesen Worten, bzw. dieser Einstellung ablehnen. Sprich: Niemand hat „Geld für lau“ verdient. Wer sich bemüht, „erreicht“ immer etwas. (Arbeit, finanzieller Wohlstand) Wer nichts erreicht, hat sich nicht bemüht. (Und verdient es nicht besser.)

Lustigerweise habe ich lange auch so gedacht. „Wer einen Job will, findet auch einen!“, war lange mein Motto und es lief eigentlich immer ganz gut in meinem Leben. So lange ich meine Aufmerksamkeit auch nur auf mich und mein beschränktes Umfeld richtete, hat das auch so gepasst. Seit ich aber das bedingungslose Grundeinkommen kenne und mich deswegen auch mit volkswirtschaftlichen Zusammenhängen beschäftige, denke ich anders.

 

Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied!

Ich denke, das wird gerne von denen angebracht, die intelligent sind, sich anstrengen und deswegen auch erfolgreich sind und diejenigen, die nicht ebenso erfolgreich sind, geringschätzen. Es ist leicht, das zu sagen, und es scheint ja auch zu stimmen, denn man ist selbst der beste Beweis dafür.

Das Problem ist nur, dass es für ein Beispiel zwar wunderbar stimmt, aber gesamtvolkswirtschaftlich nicht funktioniert.

Die volkswirtschaftliche Konsequenz dieser Sichtweise ist: damit einer sein (finanzielles) Glück findet, müssen viele Andere darauf verzichten. Das Geld, das der „Glückliche“ bei sich anhäuft, nimmt er indirekt jemand anderem weg. Demjenigen dann zu unterstellen, sein finanzieller Misserfolg liege nur an ihm selbst, ist zynisch. Eigentlich kann er nur dann finanziell so erfolgreich sein, wie der Glückliche, wenn er demjenigen sein Geld wegnimmt. Ob der Glückliche sich dessen bewusst ist?

Wer beim Gedränge am Buffet nicht aggressiv genug ist und als letzter drankommt, der bekommt nichts mehr oder nur noch die Krümel. Wenn ich dem Letzten nun sage, er müsse sich nur mehr anstrengen, heißt das, dass er mich weg schubsen muss, damit er was bekommt und ich dann der Letzte bin und nichts bekomme. Oder etwa nicht!?

Auf den Arbeitsmarkt übertragen heißt das: Den Arbeitsplatz, den ich besetze, kann niemand Anderes einnehmen. Es ist ja nicht so, dass wir mehr Arbeitsplätze, als Arbeitswillige hätten.

Ist es nicht vielleicht sogar einfach egoistisch und ignorant? Wenn man intelligent ist, eine gute Ausbildung genossen hat und vielleicht noch aus „gutem Hause“ kommt, nie wirklich finanzielle Probleme hatte und mit dem Leistungsgedanken groß geworden ist, wie kann man …

– wie kann man dann zu einem Menschen, der „bildungsfern“ groß geworden ist, Tiere nur aus dem Fernsehen kennt, Bücher nur benutzt um einen wackeligen Tisch zu stabilisieren, in seinem Umfeld nie wirklichen Antrieb gelernt hat, sagen: Würdest du dich mehr anstrengen, wärst du auch so erfolgreich wie ich! Wie kann man einem Menschen vorwerfen, dass Umfeld und Erziehung versagt haben? Dass er nie gefördert wurde und keinen Sinn in Bildung sieht?

– wie kann man von Chancengleichheit sprechen, wenn die Statistiken bestätigen, dass diese Chancengleichheit nur in der Theorie auf dem Papier besteht. Jemand, der am Rande des Existenzminimums groß wird, hat nun einmal nicht die gleichen Chancen, wie ein Millionärskind. Und die Wahrscheinlichkeit für einen Bildungsabstieg, also dass das Kind eine geringere Ausbildung hat, als die Eltern, ist in Deutschland höher, als für einen Bildungsaufstieg! [1] [2]

– wie kann man bei über 5,2 Mio. Arbeitslosen (2,9 Mio. offizielle Arbeitslose + 2,3 Mio. Lohnaufstocker,  Umschuler, Ehepartner, etc.) und nur knapp 500 Tausend offiziellen offenen Stellen behaupten, dass jeder, der einen Job will auch einen kriegt? (Wie konnte ich das jemals glauben?)

– wie kann man glauben, jeder könnte einen Job haben, wenn die Menschen so verzweifelt sind, dass sie Pfandflaschen aus Mülleimern sammeln?

– wie kann man angesichts von über 300 tausend Hartz IV-Aufstockern behaupten, die Menschen wären faul und ohne Antrieb? [3]

– wie kann man 100 Tausend Jugendlichen vorwerfen, dass sie keine Lehrstelle bekommen haben, weil den Unternehmen die Schulausbildung nicht reicht? Sollen jetzt alle Abitur machen?

– wie kann man einer Familie vorwerfen: Beschwert euch nicht, dass ihr arm seid, ihr wolltet ja unbedingt Kinder! Hättet ihr keine Kinder, hättet ihr mehr Geld für euch. Und würde sich nicht einer von euch um die Erziehung kümmern, könnte er auch Karriere machen und ihr hättet noch mehr Geld. (Wieso braucht es überhaupt heute zwei Vollzeitjobs, um die Familie zu ernähren, wo früher einer gereicht hat?)

– wie kann man Millionen Jugendlichen bei einer Arbeitslosenquote von über 50% (Spanien, Griechenland) sagen: Statt auf der Straße herumzulaufen und zu demonstrieren und anderen die Schuld für eure Misere zu geben, solltet ihr diese Energie lieber in die Arbeitssuche stecken. Strengt euch mehr an, dann bekommt ihr auch einen Job!

Das Schlimmste, was ich bisher in diesem Zusammenhang gehört habe, war die Aussage eines Arbeitskollegen, man müsse nur den Sozialstaat, mit Hartz IV und Sozialleistungen abschaffen, dann gingen diese [faulen] Menschen auch wieder arbeiten. Das ist nicht nur menschenverachtend, es verkennt auch die Realität, in der die meisten Menschen, die mit Hartz IV leben, ihr Einkommen lieber aus Arbeit beziehen würden.

Es verkennt auch die Konsequenzen der Abschaffung des Sozialstaats: Massives Lohndumping auf breiter Front! Hartz IV hat schon dazu beigetragen, den Niedriglohnsektor auszuweiten. Wenn es gar kein soziales Netz mehr gibt, werden die Unternehmen diese Notlage noch mehr ausnutzen und die Löhne diktieren. Denn als Arbeitnehmer hat man dann kaum noch Alternativen. Man muss jeden Job annehmen, auch wenn er noch so schlecht bezahlt ist. Hauptsache man kann irgendwie die  Lebensmittel und vielleicht noch die Miete zahlen und muss nicht unter der Brücke schlafen. Gerade Familien würde das brutal treffen. Die Konsequenz wären Zustände, wie wir sie nur aus der Ferne kennen: Zeltstädte, Wellblechhütten, Slums, Armut!

 

Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied!

Vielleicht wird diese Denkweise aber auch von unserer Gesellschaft gefördert. Der „Kampf“ (schlimm, dass man das in dieser Form immer wieder hört und es scheinbar schon als normal angesehen wird) um Arbeitsplatz und Einkommen wird immer härter. Man muss immer egoistischer sein, um nicht „auf der Strecke“ zu bleiben. Wenn man es dann geschafft hat, ist das eine schöne Rechtfertigung für den eigenen Egoismus im Kampf. Wenn man hart für seinen Erfolg gearbeitet hat, warum sollte man dann den Anderen, die ganz offensichtlich faul sein müssen, etwas gönnen.

„Wenn ich es geschafft habe, kann es ja jeder schaffen! Wer es nicht schafft, ist faul und hat nichts besseres verdient!“ 

So „schön“ es auch klingt, ist es falsch, weil

  1. nicht jeder (physisch oder psychisch) in der Lage oder Willens ist, es „zu schaffen“.
  2. volkswirtschaftlich der Gewinn des Einen („der es schafft“) der Verlust der Anderen ist.

Oder wie Volker Pispers feststellt: „Im Kapitalismus kann jeder reich werden. Aber doch nicht alle!“

 

Nachwort

Ich entschuldige mich bei allen, die sich durch diesen Artikel angegriffen fühlen. Es ist nicht meine Absicht, jemanden zu verletzen oder zu beleidigen; besonders nicht diejenigen, die am meisten unter der Situation leiden: Hartz IV-Empfänger und Menschen im Niedriglohnsektor. Aber diese ignorante Einstellung einiger „Gut-situierter“ wühlt mich emotional so auf, dass ich hier weder politisch korrekt, noch einfühlsam sein kann oder will. Deswegen habe ich auch recht drastische Bilder geschildert, nicht weil ich Klischees bedienen will, sondern weil jeder Mensch seine eigene Vergangenheit und sein eigenes Schicksal hat. Und so müssen wir ihn auch sehen: als Individuum. Wir dürfen dem Menschen, der nicht so erfolgreich ist, nicht selbst die Schuld geben! Es sind Umgebung und Umstände, die sowohl unseren Wille und unsere Fähigkeiten erfolgreich zu sein, als auch die Chancen zum Erfolg selbst beeinflussen.

Deshalb dürfen wir niemanden gering schätzen! Oder ein BGE ablehnen! Wir müssen mit einem BGE jedem Menschen die Möglichkeit geben, sein Potenzial zu entfalten!

 

Es ist genau die falsche Denkweise, das BGE abzulehnen, aus Angst, man könnte diejenigen belohnen, die nicht wollen. Im Gegenteil: wir brauchen das BGE, um allen die Möglichkeit zu eröffnen, den Willen und die Fähigkeit zum Erfolg entwickeln zu können.

 

[1] Jahnke Wochenbrief 174 „Keine Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem“

[2] Dokumentation „Du schaffst das!„, ARD 29.09.2013

[3] Jahnke Wochenbrief 164 „Wie die Bundesregierung das eurozerstörende deutsche Lohndumping massiv unterstützt“