Grundeinkommen/Kommunismus funktioniert nicht!

Entwicklung-Nettovermoegen-2002-2007

Immer wieder, wenn ich von bedingungslosem Grundeinkommen (BGE) spreche, bekomme ich Aussagen zu hören, ich wäre Kommunist, oder „Kommunismus/Sozialismus funktioniert nicht!“. Ich will das mal zum Anlass nehmen, die verschiedenen (aktuellen) Wirtschaftsformen zu vergleichen und damit ganz einfach klären, ob Grundeinkommen Sozialismus/Kommunismus ist.

Wie unterscheiden sich die wirtschaftlichen Grundformen?

Kommunismus/Sozialismus
Jeder bekommt das gleiche Einkommen, egal wie gut oder viel er arbeitet. (In der gelebten und korrumpierten Variante, bereichern sich natürlich die Machthaber auf Kosten des Volkes.)

Freie Marktwirtschaft (ohne Kapitalismus)
Wer mehr/besser arbeitet, bekommt mehr. (Wer nichts arbeitet, bekommt nichts. Kapitaleinkünfte außen vor.)

Kapitalismus (ohne freie Marktwirtschaft gesehen)Wer mehr hat, bekommt mehr. Wer nichts hat bekommt nichts.
(Hier bereichern sich die Besitzenden auf Kosten der Nicht-Besitzenden, ähnlich wie im Feudalismus.)

 

Die Soziale Marktwirtschaft, in der wir (in Deutschland) aktuell leben ist eine Mischform aus freier Marktwirtschaft und Sozialstaat (und Kapitalismus, den ich zur Vereinfachung mal weg lasse). 

Soziale Marktwirtschaft
Wer mehr/besser arbeitet, bekommt mehr. 

Wer nicht arbeiten kann, bekommt Unterstützung vom Staat (die von denjenigen finanziert wird, die Arbeit und somit Einkommen haben.)

 

Aber wie würde es aussehen, wenn wir ein bedingungslosem Grundeinkommen hätten?

Freie Marktwirtschaft mit BGE
Jeder bekommt genug, um (in Würde) zu leben
Wer mehr/besser arbeitet, bekommt mehr (Einkommen aus Arbeit).

 

Bei der Idee des BGE ersetzt man also einfach die Umsetzung der sozialen Komponente der „sozialen Marktwirtschaft“. Etwas flapsig könnte man sagen: Jeder bekommt Stütze, ob er will oder nicht. 😉 Aber im Gegensatz zur aktuellen Situation, wird die Unterstützung nicht aufgehoben, wenn der Mensch Einkommen aus einem Arbeitsplatz oder irgend ein anderes weiteres Einkommen hat.

 

Nun noch mal der Unterschied BGE – Kommunismus:

Das Problem beim Kommunismus ist, dass die Bedürfnisse der Menschen nach Anerkennung, nach Feedback für ihre Bemühungen und Eigeninitiative völlig ignoriert und unterdrückt werden. Weil es egal ist, wie sehr sie sich anstrengen, sie bekommen doch nicht mehr.

Bei einem BGE gibt es dieses Problem nicht. Im Gegenteil werden die Menschen dazu angeregt, Initiative zu zeigen, denn sie werden bedingungslos mit allem Nötigen versorgt. Es ist ein Vertrauensbeweis, als würde der Staat sagen: „Ich versorge dich, weil du es wert bist. Und ich weiß, du machst was draus.“ Und je mehr sich ein Mensch anstrengt, um so mehr bekommt er. Wir erhalten uns also mit dem Grundeinkommen die freie Marktwirtschaft. Aber es wirkt sich ganz anders aus, als die soziale Marktwirtschaft heute. Sehen wir uns die aktuellen Auswirkungen mal an:

1. Man muss erst beweisen, dass man einen Wert hat, bevor man Hilfe bekommt. D.h. man zahlt erst ein (gibt), bevor man etwas zurück bekommt. Oder man beweist, dass man will, aber nicht kann. Man muss also beweisen, dass man Willens aber nicht fähig ist, ein „wertvolles“ Mitglied der Gesellschaft zu sein.

2. Der Anreiz etwas zu tun ist (monetär) nicht (mehr) hoch genug. Warum sollte ein Familienvater für 1600 € brutto (10 € Mindestlohn) arbeiten gehen, wenn er mit Hartz IV ca.1800 € netto hat? (Dass es Menschen trotzdem tun, hat soziale und psychologische aber keine monetären Gründe.)

Das Grundeinkommen wirkt sich, wie oben beschrieben, eben ganz anders aus.

Und nein, es werden sich nicht alle außer Ihnen (der Sie gerade diesen Artikel lesen) auf die faule Haut legen. BGE ist nicht Kommunismus, weil dann vermeintlich niemand mehr arbeiten geht. Es ist eine subjektive Einschätzung, dass alle anderen außer einem selber faul sind und nicht arbeiten wollen. Wie auch bei der Einschätzung, dass sehr viele Autofahrer sich selbst für gute Autofahrer halten, aber nur wenige der anderen auch als gute Fahrer empfinden.

Um die Eingangs erwähnten Aussagen noch mal aufzugreifen: Nein, ich bin kein Kommunist. Ich bin auch der Meinung: „Kommunismus funktioniert nicht!“. 

Aber ich habe meine Zweifel am Kapitalismus. Ich habe meine Zweifel daran, ob es „gerecht“ ist, dass der  Wohlstand, den alle erarbeiten zum großen Teil an diejenigen geht, die (zu) viel haben, statt an diejenigen, die viel dafür tun. Derzeit wird nicht Leistung belohnt (siehe Niedriglohnsektor), sondern Eigentum (siehe Vermögensentwicklung). Ich will definitiv keinen als freien Markt getarnten modernen Feudalismus.  (Grafiken am Ende.)

Das ist einer der Gründe, warum ich für ein BGE bin: es ist ein Mittel, den Menschen mehr Macht bei der Verhandlung ihres Arbeitslohns zu geben und den erarbeiteten Wohlstand so zu verteilen, dass alle daran teilhaben können. (Natürlich ist das BGE noch viel mehr als das.)

 

Aber Argumente hin oder her: Wenn man nur schwarz/weiß denkt und definiert, dass jeder, der Zweifel am Kapitalismus hat, automatisch ein Kommunist sein muss, dann kann ich das vielleicht auch nicht ändern?!

 

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 DIW Wochenbericht 4/09

 

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