Das Problem mit dem Geld-Problem

Das Problem mit dem Geld-Problem ist, dass es die meisten Menschen weder sehen noch verstehen, weil es einfach zu abstrakt ist. Es ist viel „einfacher“ das Bild eines verkrüppelten Menschen, eines hungernden Kindes oder eines misshandelten Hundes zu zeigen. Das sind Bilder, die unser Verstand sofort einordnen kann.
Geld dagegen ist für die meisten Menschen einfach da und wird benutzt. That’s it! Und selbst wenn man ihnen erklärt, wie unser Geld (-system) funktioniert, können oder wollen die meisten nicht die Konsequenzen verstehen, die sich daraus ergeben.

Deswegen versuche ich es mal mit folgenden drastischen Bildern:

 

 

Das hat keine Naturkatastrophe verursacht und kein Krieg, sondern ein aus dem Ruder gelaufenes Geldsystem. Wer dann Regulierung verlangt, hat die Problematik nicht verstanden, denn Regulierung ist nur Symptombehandlung, keine Ursachenbekämpfung. (Siehe auch mein Beitrag zur Eindämmung i.e. Regulierung der Marktwirtschaft.)

Das Geldproblem ist genauso abstrakt und nicht greifbar, wie das Klimaproblem. Wenn eine Flut kommt (etwas, das man sehen kann), packen alle mit an, um den Damm zu verstärken. Aber CO2-Ausstoß verringern? Ein neues Auto mit weniger CO2-Emissionen kaufen, weil vielleicht in 50 oder 100 Jahren die Temperatur um 4°C steigt – wer macht das schon? Dabei geht das „Klimaproblem“ praktisch jeden Tag durch die Presse, während das „Geldproblem“ mehr oder weniger tot-geschwiegen wird. (Haben Sie gewusst, dass die Bild-Zeitung eine Auszeichnung bekommen hat, weil sie während des Ausbruchs der Finanzkrise 2007 „besonnen gehandelt“ – also gelogen hat und nicht das ganze Ausmaß beschrieben hat, weil sonst Panik ausgebrochen und das gesamte Finanzsystem tatsächlich zusammen gebrochen wäre?)

Also wie kann man das Geldproblem so einfach beschreiben, dass es jedem klar wird?

Haben Sie schon mal Monopoly gespielt? Dann kennen Sie den Druck, der im Laufe des Spiels zunimmt? Am Anfang ist alles noch ausgeglichen. Bis einer durch gute Strategie und etwas Glück den anderen etwas mehr Geld abnehmen kann, als umgekehrt. Ab da hat derjenige praktisch schon gewonnen. Er muss das zusätzliche Geld lediglich gut investieren, denn dadurch entstehen für ihn weitere, höhere Kapitaleinkommen. Zusätzlich steigt die gesamte Geldmenge im Spiel mit jedem Einkommen bei „LOS“, wodurch immer teurere Gebäude mit immer höheren Mieten möglich sind.
Diejenigen, die weniger Immobilien besitzen, haben aber hauptsächlich nur ein konstantes (real nicht steigendes) Einkommen (nämlich nur, wenn sie über LOS gehen), mit dem sie die anderen steigenden Mieten irgendwann nicht mehr bezahlen können. Langsam fangen sie dann an, ihren ohnehin schon geringen Besitz zu verkaufen, um die Mieten der anderen bezahlen zu können, was natürlich fatal ist. Es ist eine Kapitulation und der Anfang vom Ende, denn mit dem Verkauf der eigenen Immobilien verlieren sie ihre zusätzlichen Einkommen.

Jetzt mögen Sie vielleicht sagen, dass Monopoly nur ein Spiel ist und nicht unserem Wirtschaftsmodell entspricht. Aber gibt es tatsächlich so große Unterschiede? Oder ist Monopoly einfach Kapitalismus pur auf einem Spielbrett? Und entwickelt sich nicht auch unsere Gesellschaft analog dem Spielverlauf?

In den ersten Jahrzehnten unserer Republik (50er bis 80er Jahre) lief es für Viele sehr gut, die Vermögen und Einkommen waren einigermaßen gleich verteilt, es gab viel zu tun, viel zum Aufbauen (Potenzial für Wirtschaftswachstum), das Geld „floss in Strömen“ und hat viele erreicht. So waren viele auch wirtschaftlich erfolgreich. (Genau wie am Anfang bei Monopoly.)

Jetzt hat sich das Bild geändert. Die Masse hat seit Jahren konstante Einkommen [1], zwei bis drei Jobs und ist teilweise überschuldet, während die Gebäude auf der Schlossallee immer größer werden. Die Hälfte der Menschen hat praktisch kein Vermögen. [2] Wirtschaftlicher Erfolg gelingt nur wenigen. Stattdessen gilt: je größer der Konzern, umso wahrscheinlicher der wirtschaftliche Erfolg. Es findet eine Kapitalkonzentration statt. Das gilt für Konzerne ebenso wie für Privatleute. [1] Es gibt eine kleine Gruppe von Menschen, die über unvorstellbares Vermögen verfügt (10% der Reichsten in Deutschland besitzen fast 70%). [2]  Ebenso ist der Staat überschuldet und verkauft nun seine Vermögenswerte. Man nennt es „privatisieren“, damit es nach einer Verbesserung klingt. [3] Es ist aber die gleiche Kapitulation, wie in der Endphase von Monopoly. Der Druck steigt immer mehr. Die letzten Besitztümer werden verscherbelt, um die steigenden Preise der Schlossallee bezahlen zu können.

(Dabei heißt es dann: man habe über seine Verhältnisse gelebt und müsse nun sparen. – Bullshit! Das Geld fehlt nicht, weil wir zu viel ausgegeben haben, sondern weil wir zugelassen haben, dass es sich bei einigen wenigen sammelt und die es nicht wieder her geben.)

Es gibt genau zwei (für unser Beispiel relevante) Unterschiede zwischen Monopoly und der realen Wirtschaft.
1. In der realen Wirtschaft wird das neu geschöpfte Geld nicht einfach verschenkt, wie bei LOS. Es muss sich jemand dafür verschulden. D.h. bei Monopoly kommt neues Geld Schuldenfrei ins Spiel, während in der Realität alles nur geliehen ist und eigentlich zurück gezahlt werden müsste (!).
2. Bei Monopoly sieht man die Schlossallee und weiß, wem sie gehört und wie viel derjenige von den anderen an Miete bekommt. In unserem realen System ist dieser Geldtransfer größtenteils versteckt. Die Miete für die Schlossallee ist in allen Preisen versteckt (als Zinsen) und wird über Zwischenhändler (Banken) an den Besitzer weiter geleitet.

Umverteilung von arbeitend nach vermögend

Konkret heißt das: Sie mögen vielleicht ein paar hundert Euro Zinsen auf Ihre Riester-Rente oder Sparguthaben bekommen (wenn es überhaupt so viel ist), dafür zahlen Sie aber mehrere tausend Euro (ca. 30% ihres Nettogehaltes) an Zinsen in Preisen. Die Arbeitenden (die „Fleißigen“) zahlen die Einnahmen der Vermögenden (der „Besitzenden“). Denn nur ein Bruchteil der Zinsen, die Sie zahlen, kommt wieder an Sie zurück. Das meiste geht an die Vermögenden und ins Bankensystem.

Nun aber nicht genug. Denn die Zinsen, die zu den Vermögenden wandern, kommen „von dort nicht mehr weg“. Sie werden nicht, wie Lohngehälter (der Masse) für Konsum verbraucht, sondern für den Ausbau des Vermögens. D.h. es bleibt auf der Bank liegen, wird für Immobilien-, Aktienkäufe, etc. verwendet, aber nicht hauptsächlich für Konsumwaren und Dienstleistungen. Es wird nicht das hundertste Auto gekauft oder der tausendste Fernseher, sondern Anlagen, die Rendite versprechen. Somit bleibt dieses Geld im Finanzkreislauf und der Realwirtschaft vorenthalten. Es werden damit keine Arbeitsplätze bezahlt, sondern die Preise von Wertanlagen in die Höhe getrieben (Asset Price Inflation: Immobilien, Aktien, etc.)

Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass wir mit jedem Jogurt, den wir kaufen, dafür sorgen, dass über die darin enthaltenen und gezahlten Zinsen ein „Reicher“ wieder mehr Geld zum spekulieren hat und sich jemand anderes in der Realwirtschaft verschulden muss, um dieses abgeflossene Geld in der Realwirtschaft zu ersetzen.

Vielleicht sind sie jetzt nachdenklich oder sogar geschockt. Vielleicht auch nicht. Aber bestimmt fragen Sie sich: Warum hacke ich so auf unserem Geldsystem und den Zinsen herum? Das ist halt so, war schon immer so, ist ganz natürlich und anders geht’s ja auch nicht!

Au contraire!

Unser Geldsystem ist nicht vom Himmel gefallen. Es folgt keiner natürlichen Ordnung. Es ist lediglich eine Ansammlung von Gesetzen, die sich Menschen ausgedacht haben, genau, wie z.B. die StVO. Und so, wie sich die die StVO den Veränderungen auf der Straße anpasst, so wird auch z.B. das Gesetz zum Kreditwesen (KWG) an Veränderungen angepasst. Nur dass es im Geldsystem einen fundamentalen „Fehler“ gibt, der dem Kapitalismus noch zusätzliche Kraft gibt. Der Turbo sozusagen. Und jeder weiß, wenn so ein Turbo erst mal anläuft, ist kein Halten mehr.

Stellen Sie sich mal vor, die KfZ-Steuern würden mit steigendem Wert des Autos sinken: jemand mit einem 15 Jahre alten Corsa oder Fiesta müsste mehr zahlen, als jemand mit einem neuen Porsche, Roll Royce oder Bentley. Oder noch besser: ein Ausgleichstopf, in den Besitzer von alten und billigen Autos einzahlen müssen, und aus dem die Besitzer teurer Autos eine Dividende erhalten. Und je älter das Auto wird, um so mehr müssen die „Armen“, die sich keine teuren Autos leisten können, zahlen und haben umso weniger Geld, um sich ein neues Auto leisten zu können.

Klingt bescheuert? Macht keinen Sinn? Ist aber schon so! Genau das macht unser Geldsystem. Diejenigen, die ohnehin schon viel Geld haben, bekommen über Zinsen und Dividenden noch mehr Geld, das von denjenigen „gesponsort“ wird, die kein Vermögen haben.

Ich bin mal so frei und behaupte: Jeder von uns träumt davon, so viel Geld zu haben, dass er von den Zinsen leben kann und nicht mehr arbeiten muss. Aber diese Zinsen entstehen nicht aus dem Nichts. Geld entsteht aus dem Nichts bei Kreditvergabe. Aber Zinsen müssen von irgendjemandem gezahlt werden. Die Banken haben Zinseinnahmen durch Kredite und geben einen Teil davon als Zinsausgaben an die Anleger („Sparbuch“, etc.) weiter. Die Kreditzinsen werden von der Masse, von allen, die Geld ausgeben, gezahlt. Denn sie sind in allen Preisen, Mieten, etc. enthalten. Die Empfänger der Guthabenzinsen sind jedoch nicht die Masse, sondern diejenigen, die die Masse des Kapitals besitzen. Und das sind eben sehr Wenige.

Da das Geldsystem nur eine Ansammlung von Gesetzen ist, kann man es auch ändern. Wir können es auch so gestalten, dass man nur noch mit dem Besitz von realwirtschaftlichen Dingen (Unternehmen, Mietobjekte, etc.) reicher werden kann. Aber nicht mehr rein durch Besitz von Geld. Das ist noch nicht mein Idealbild, aber zumindest ein Kapitalismus „light“, der sich nicht ganz so schnell selbst auffrisst.

Tipp: Spielen Sie mal Turbo-Monopoly nach Regeln der Realwirtschaft.
Das Geld wird nicht bei LOS verschenkt, sondern man muss es sich leihen. Eine Anleitung gibt es demnächst hier.

Viel Spaß! 🙂


[1] Es wird ihnen nur vorgegaukelt, ihre Einkommen würden steigen. Nach Abzug der Inflation jedoch, stagnieren sie real. Siehe auch Joachim Jahnke Rundbrief vom 10.08.2015

Jahnke Einkommensentwicklung Q1 2015

[2] Wie anhand der Berechnungen von SOEP und DIW zu erkennen ist, hat die Hälfte der Bevölkerung praktisch kein Vermögen. Der einzig relevante Vermögenszuwachs ist bei den obersten 10% zu erkennen.

Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland

Vermoegensverteilung SOEP 2012

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[3] Ich will an dieser Stelle nicht den Sinn oder Unsinn von Privatisierung diskutieren. Das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.