Antwort auf den Artikel „Gold, das nicht glänzt“

 „Gold, das nicht glänzt“ erschienen auf zeit.de am 08.11.2012

 
Der Autor des Artikels „Gold, das nicht glänzt“ schlägt vor das Gold ins Meer zu kippen, weil es keinen Wert hat. Na schön. Was hat denn dann einen Wert? Bunt bedrucktes Papier etwa? Bits und Bytes in einem Computer? Alles bekommt seinen Wert erst durch unsere Wertschätzung und den Nutzen, den wir ihm abgewinnen können. Zugegeben ist unsere Wirtschaft nicht abhängig von Gold und würde wahrscheinlich auch gut ohne auskommen. Das heißt aber nicht, dass Gold wertlos ist. Gold ist ein Material, mit vielen Eigenschaften. Es wird in der Elektronik, Medizin und Optik verwendet, man kann es hauchdünn ausrollen, es ist schön anzusehen, verliert nie seinen Glanz und vieles mehr. Deswegen wird es von uns wertgeschätzt. Und momentan eben etwas mehr, weil die Menschen Angst vor dem Kaufkraftverlust (allgemein auch „Wertverlust“ genannt) ihres Geldes haben. Denn im Gegensatz zum Papiergeld hat Gold einen (höheren) Materialwert, den es nie verlieren wird und seine Menge ist, im Gegensatz zu unserem Geld, physikalisch begrenzt. Dass die Menschen sich nun daran erinnern ist ihnen nicht zu verdenken. Und wenn diese Menschen nun einen Goldstandard wollen, ist das keine Demokratie?

Für mich hat der Autor des Artikels ein seltsames Verständnis von Demokratie. „Demokratie ist, wenn die Bürger ihre Angelegenheiten selbst regeln“ Das klingt für mich eher nach Anarchie. Vielleicht verwechselt er das aber auch mit der „unsichtbaren Hand des Marktes“ die alles von alleine regelt, also meint er vielleicht: „der Staat sollte sich aus dem Markt raus halten“. Eine freie Marktwirtschaft hat aber nicht zwingend etwas mit Demokratie zu tun. Unter Demokratie verstehe ich, dass die Gemeinschaft wählt. Die Regierung oder vielleicht auch mal in Zukunft das Gremium der Zentralbank. Die Zentralbank kontrolliert das Geldwesen (nicht die Finanzen). Die Regierung kontrolliert die Finanzen und schafft den gesetzlichen Rahmen für das Geldwesen, das die Zentralbank kontrolliert bzw. kontrollieren können sollte.

Der Autor möge bitte mal erklären, wieso das Geldwesen jetzt unter demokratischer Kontrolle liegt, aber nicht mehr, wenn die Regierung einen Goldstandard einführt. Haben wir nicht die Regierung demokratisch gewählt? (Lassen wir hier mal außer acht, dass Regierungen manchmal auch nicht-demokratische Klientel-Politik betreiben.) Wenn diese Regierung nun einen Goldstandard einführt ist das keine Demokratie mehr? Mit einem Goldstandard würde sie genauso in das Geldwesen eingreifen, wie schon bisher. Was wäre, wenn es einen Volksentscheid gäbe, der den Goldstandard wieder einführt? Wäre das dann undemokratisch?

Aber ich gebe dem Autor Recht, wenn er sagt, einen Goldstandard brauchen wir nicht. Mit einem Goldstandard wäre nämlich die Zentralbank in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Sie könnte die Geldmenge dann nicht so verändern, wie es gerade notwendig wäre. Aber genau das ist das Wichtigste am Geldwesen überhaupt. Die Geldmenge muss den Bedürfnissen der Wirtschaft angepasst werden. Dafür muss die (von der Regierung unabhängige) Zentralbank sorgen.
Und hier funktioniert es schon nicht. Der größte Teil der Geldmenge wird durch Geschäftsbanken als Giralgeld bei Kreditvergabe geschöpft. Und die Zentralbank hat nur ganz grobe Mittel um die Geschäftsbanken in ihrer Giralgeldschöpfung zu steuern. Eines der wichtigsten Instrumente, das man auch immer wieder hört, ist der Leitzins. Es gibt aber noch andere Instrumente, wie die gesetzlichen Vorschriften über Mindestreserve und Eigenkapital, von denen man praktisch gar nichts hört. Und während die Zentralbank antizyklisch handelt und versucht den Markt mit niedrigen Zinsen zu stimulieren, wenn er lahmt und ihn mit hohen Zinsen zu drosseln, wenn er boomt, agieren die Geschäftsbanken pro-zyklisch. Wenn die Wirtschaft boomt, ist „viel Geld im Umlauf“, die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung von Krediten hoch, also werden die Geschäftsbanken viele Kredite vergeben. In der Rezession ist es genau anders herum. Wenig Geld im Umlauf, hohe Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen, also restriktivere Kreditvergabe seitens der Banken.

Und ich gehe noch einen Schritt weiter. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes kann die Zentralbank praktisch überhaupt nicht steuern. Sie kann nicht verhindern, dass z.b. in einer Rezession, die Menschen ihr Geld lieber sparen als es auszugeben. Sie versucht das über den Leitzins zu steuern, was aber nur sehr wenig Erfolg hat. Denn wenn die Zentralbank die Zinsen senkt, um Kredit auszuweiten und die Menschen zum Konsumieren anzuregen, weil es keinen Sinn macht zu sparen, horten die Menschen gerne auch mal Bargeld zu hause, statt es auszugeben.

Und die Zentralbank kann auch nicht steuern, wo das von den Geschäftsbanken neu geschaffene Geld landet. Die Geldmenge wächst zwar relativ konstant. Nur nicht im Wirtschaftskreislauf, wo es gebraucht wird, sondern hauptsächlich im Finanzkreislauf, wo es aber keine Nachfrage nach neuen Gütern erzeugt. Natürlich hängt die Nachfrage noch von anderen Faktoren ab. Aber wir haben grundsätzlich einfach nur ein Verteilungsproblem. Wenn die Zentralbank nun „Geld ins System kippt“, kann sie nicht steuern, wo es ankommt. Das entscheiden die Geschäftsbanken. Deswegen übernimmt diese Aufgabe ja auch die Regierung in dem sie durch Ausgabe von  Staatsanleihen das Geld aus dem Finanzkreislauf abzieht um es in den Wirtschaftskreislauf zu speisen. Oder indem sie durch Anreize, also Konjunkturimpulse wie z.B. Erneuerbare Energien oder Abwrackprämie, Nachfrage und Investitionen, also Neuverschuldung, im Wirtschaftskreislauf fördert.

Dass die Ökonomen überhaupt glauben, dass in diesem Umfeld irgendwas steuerbar und kontrollierbar ist, ist mir ein Rätsel. Aber die endlosen Debatten über die richtige Vorgehensweise zeugen davon, dass sie mit ihrem Latein am Ende sind und nicht verstehen, warum die Maßnahmen, die sie aus ihren Büchern gelernt haben, nicht wirken.

Der ständige Konflikt zwischen Sparen, um die (Staats-) Schulden in den Griff zu bekommen, und Neuverschuldung zur Konjunkturstimulierung ist meines Erachtens die Wahl zwischen Pest und Cholera. Es ist der hilflose Versuch mit dem Finanzsystem Probleme auszugleichen, die durch unser Geldsystem entstanden sind.

Es gibt nämlich eine innere Dynamik in unserem Geldsystem, die durch seine Beschaffenheit gegeben ist. Das wird von den meisten Ökonomen ignoriert. Geld wird von ihnen als reines Tauschmittel gesehen. Das ist es aber nicht. Der Gesetzgeber hat das Geldsystem so geschaffen, dass wir gezwungen sind uns zu Verschulden, um Geld als Tauschmittel (in unserer Wirtschaft) nutzen zu können. Zahlen wir unsere Schulden zurück, haben wir kein Geld mehr. Und all diese Schulden sind mit Zinsen behaftet, die gezahlt werden müssen. Da das Geld sich nun  durch die Zinsen scheinbar aus sich selbst heraus vermehrt, gibt es Kapitalklumpen, wo sich Geld sammelt, während es an anderer Stelle fehlt bzw. von dort abfließt. Dort, wo es fehlt, muss es irgendwie wieder hin geschafft werden, was in der Regel durch neue Kredite und damit einer Geldmengenausweitung zustande kommt. Dadurch steigt aber die Verschuldung und die Zinszahlung und die Kapitalklumpen/Geldvermögen wachsen schneller usw. Ein Teufelskreis.

Aber kommen wir noch mal auf Faust zu sprechen. Der Kaiser mischt sich nicht nur ins Geldwesen ein. Er erweitert das Geldwesen um Urkunden und erweitert somit die Geldmenge, um damit seine Finanzen aufzubessern. Wenn unser Gesetzgeber sich „in das Geldwesen einmischen“ würde und einen Goldstandard verordnen würde, wäre das nicht, um seine eigenen Finanzen aufzubessern und somit in keinster Weise mit dem Handeln des Kaisers vergleichbar.
Aber im Prinzip machen wir momentan doch etwas ähnliches wie der Kaiser. Die Urkunden des Kaisers sind durch das Versprechen auf die noch nicht geförderten Bodenschätze (Gold?) im Boden gedeckt. Unsere Regierung gibt  Staatsanleihen (Urkunden) aus und nimmt Kredite auf (Ausweitung der Geldmenge) die durch das Versprechen von Wirtschaftswachstum in der Zukunft gedeckt sind. Irgendwann wird diese Blase genauso platzen, wie die Urkunden-Blase.

Uups! Haben wir nicht gerade irgendwo eine „Staatsanleihekrise“?

Die Frage ist also nicht: Goldstandard oder Nord/Süd-Euro oder Neue-DM? Die Frage ist auch nicht, ob der Gesetzgeber sich in das Geldwesen einmischen sollte oder nicht. Das tut er ohnehin pausenlos, denn er hat die Gesetze für das Geldwesen geschaffen. Wir sind dem Euro beigetreten. War das jetzt undemokratisch? Oder war es demokratisch, weil die von uns gewählte Regierung das beschlossen hat?

Die Frage ist eigentlich: Ist der Gesetzgeber willens, den gesetzlichen Rahmen so anzupassen, dass die Zentralbank ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann und die Geldmenge und die Umlaufgeschwindigkeit besser steuern kann?

Wollen wir wirklich einen Geldmarkt, in dem Geld wie eine Ware gehandelt wird, dorthin geschoben wird, wo es den höchsten Profit abwirft, und wo wir uns das Recht, dieses Geld, das wir als Tauschmittel zwingend zum Funktionieren unserer Wirtschaft brauchen, teuer einkaufen müssen? Oder wollen wir ein Geld, das seiner Funktion als Tauschmittel nachkommt und das uns dient, statt wir ihm, weil wir seine ständige Renditesucht erfüllen müssen?