Kommentar zu Enno Schmidt: „Das ist mir zu philosophisch“

Ich mag den Artikel. Erinnert er mich doch mal wieder daran, über den Wert des Menschen und den Sinn meiner Existenz nachzudenken. Es gibt aber zwei Aussagen/Formulierungen, die dem eher philosophischen Leser, der sich vielleicht nicht so sehr mit Makroökonomie, unserem Geldsystem und dessen Konsequenzen beschäftigt, ein falsches Bild der Realität vermitteln könnten. Darauf möchte ich kurz eingehen.

Hier gehts zum Artikel: „Das ist mir zu philosophisch.

„Und lege ich mein Geld auf die Bank, so ist es sogleich ein Kredit für andere, von dem ein anderer etwas kauft, oder eine Investition. Eine Investition zum Beispiel in neue Maschinen. Die kosten Geld, weil Menschen sie hergestellt haben, die ein Einkommen brauchen, um sie herstellen zu können. Auch die eventuell im Preis enthaltenen Zölle, Dividenden, Zinsen, Gewinne sind Geld, das Einkommen wird.“

Sparen ist nicht gleich Kredit. Auch wenn uns die gängige Volkswirtschaftslehre erzählen will. Sparen ist Sparen. Unser Geld ist Kredit. Spargeld kann von einer Bank genutzt werden, um die Bilanz auszugleichen. Es ist aber nicht zwingend Voraussetzung für Kredit. Eigenkapital und Mindestreserve sind laut Gesetzgeber notwendig für Kredit. Sparen ist in erster Linie Konsumverzicht, der Kredit nicht ermöglicht, sondern erzwingt. Denn das durch Sparen fehlende Geld führt zu Deflation, weswegen es durch neues Geld aus Kredit ersetzt werden muss, damit die Preise stabil bleiben.

Zinsen und Dividenden sind Einkommen. Ja, aber nicht im „herkömmlichen“ Sinn. Es sind keine Einkommen, die den Lebensunterhalt bestreiten, wie der Text suggeriert. Ein Großteil dieser Zinseinkommen wird nämlich nicht zum Leben benötigt, weil er bei den reichsten 10% landet, die mehr Einkommen, als Ausgaben haben. Dementsprechend werden diese Zinseinkommen zum Große Teil dafür verwendet, das Vermögen und das daraus entstehende Einkommen zu vergrößern. Diese Zinseinkommen fragen „Wertanlagen“ nach; Aktien, Immobilien, etc., aber keine Lebensmittel, Fernseher oder Autos. D.h. sie erzeugen keine Konsumnachfrage und schaffen so auch keine Arbeitsplätze, die weitere Einkommen erzeugen.
(Siehe auch mein Beitrag Das Problem mit dem Geldproblem)

„Schon um das bedingungslose Grundeinkommen zu denken braucht es den einen kleinen eigenen Schritt in Freiheit. Sonst rutscht es ab in die längst etablierten und insofern leistungslosen Emotionen für die „Armen“ und in eine Selbstgerechtigkeit gegen die Ungerechtigkeit. Am Ende sollen die „Reichen“ zahlen.“

Das ist wohl richtig. Jedoch möchte ich darauf hinweisen, dass der Umkehrschluss nicht gilt. Nicht jeder, der z.B. für die Finanzierung eines BGEs eine stärkere Besteuerung der Reichen fordert, tut das aus oben genanntem Grund. Es gibt durchaus makroökonomische Faktoren, die einem solche Überlegungen nahe legen.
90% des Vermögens in Deutschland besitzen 30% der Bevölkerung. Somit besitzen diese auch fast die Gesamte Industrie. Ein Teil der Vermögensbesitzer hat aus seinem Vermögen ein Leistungsloses Einkommen (Zinsen, Dividenden, Mieten, etc.). Der Großteil der Bevölkerung aber ist „abhängig beschäftigt“, muss also für sein Einkommen arbeiten; und zwar in einem der Unternehmen, das den Vermögenden gehört. Und gleichzeitig muss er noch das leistungslose Einkommen der Vermögenden bezahlen (z.B. über Zinsen und Dividenden in Preisen).
Wir sind also quasi in einem modernen Feudalismus, in dem fast alles einigen wenigen Menschen gehört, während der Rest bei diesen „Feudalherren“ für sein Einkommen arbeiten muss und (neben Steuern) auch noch sein „Zehnt“ – über verschiedene Kanäle (Zinsen, Dividenden, …) verschleiert – an sie abgeben muss.

Unserem System – sowohl dem „Kapitalismus“, als auch dem Geldsystem – wohnt ein Hang zur Kapitalakkumulation inne, der dazu führt, dass das System irgendwann kollabiert.Es dürfte auch schwer werden, diesen Hang abzuschaffen, ohne zum Beispiel Geld und Besitz abzuschaffen; aber man kann gegen steuern. Entweder man entschärft es präventiv, z.B durch eine Änderung unseres Geldsystems. Oder man begrenzt den Schaden nachträglich, z.B. durch entsprechende Steuern. [1]

Wir sind wohl alle mit der Vorstellung groß geworden, dass Geld einfach da ist. Und wenn man es auf der Bank spart, verleiht diese es an jemand anderen weiter. In Wahrheit ist es doch etwas komplizierter. Dazu kommt die unserem Geldsystems innewohnende Dynamik, die dafür sorgt, dass Geld von Nicht-Vermögend (arbeitende Masse) zu Vermögend (wenige Reiche) umverteilt wird.  Dies ist ein Problem, das verstanden und angegangen werden muss. [2] Ich glaube nicht, dass eine reine Konsumsteuer (von mir aus auch mit besonders hohen Steuern auf Luxusartikel), eine geeignete und gerechte Besteuerung ist, mit der man ein BGE finanzieren kann. Im Gegenteil wird es die Umverteilung noch beschleunigen. Denn wie bereits ausgeführt, fragt ein Großteil der Einkommen der Vermögenden keine Waren nach und würde so der Besteuerung komplett entgehen.
Die Masse kann sich ihr BGE nicht selbst finanzieren und gleichzeitig noch die Einkommen der Vermögenden bezahlen und sich permanent neu verschulden, um den Geldabfluss, durch die Kapitalakkumulation bei den Vermögenden, zu kompensieren.
Also erscheint es mir durchaus sinnvoll, durch stärkere Besteuerung hoher Einkommen einen Teil des BGEs zu finanzieren und damit gleichzeitig der Kapitalakkumulation entgegen zu wirken. Das ist allerdings nur eine Möglichkeit, das Umverteilungsproblem anzugehen, und nicht der Weisheit letzter Schluss.

Einfach nur zu sagen „Die Reichen sollen zahlen!“ ist sicherlich zu kurz gegriffen.
Aber so zu tun, als wäre mit unserem Geldsystem und der Verteilung der Vermögen alles in Ordnung und man müsste daran nichts ändern, und als wäre jeder, der die Vermögensverteilung kritisiert, ein ahnungsloser Neider, ist auch nicht besser.


[1] „Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.“ – Bayerische Verfassung

[2] Siehe auch Oxfam – Report