Hochzeit für Geldverbesserer

Im folgenden beziehe ich mich auf eine Kurzstudie, die von Sven Giegold MdEP beauftragt wurde: „Hochzeit für Geldverbesserer – von Thomas Fricke„. Den Text fand ich wenig strukturiert, voller seltsamer Fragen und impliziter Behauptungen. Darauf ist Norbert Häring bereits wunderbar in seinem Kommentar eingegangen. Ich beschränke mich hier auf die fachlichen Aspekte und folge dem Originaltext.

 

Einleitung II.

Zinsen und Wachstumszwang

Es gibt ein relativ einfaches Beispiel für Wachstumszwang durch unser Geldsystem, das immer wieder gebracht wird: Nämlich, dass bei der Geldschöpfung per Kreditvergabe aus dem Nichts, nicht das Geld für die Zahlung der Zinsen entsteht.
D.h. wenn eine Bank € 100 zu 5% verleiht, will sie am Ende des Jahres € 105 zurück. Das ist aber nur möglich, wenn jemand diese € 5 ebenfalls als Kredit aufnimmt. Dieses Beispiel ist natürlich stark vereinfacht, trifft aber doch irgendwie den Kern der Sache.

Ich werde das etwas näher an der Realität erläutern. Es gibt meiner Meinung nach zwei Gründe, die „Wachstum“ erzwingen. Erstens: Schuldgeld. Zweitens: positiven Zinsen.

Geld entsteht durch Kreditvergabe aus dem Nichts (Schuldgeld). Darin, dass Geld aus dem Nichts entsteht, sehe ich kein Problem. Dass es jedoch nur als Kredit, über Neuverschuldung in die Welt kommt und mit positiven Zinsen behaftet ist, ist problematisch.

1. Wenn jemand seinen Kredit zurück zahlen will, muss er den anderen das Geld wegnehmen und es der Bank geben, wodurch es durch die Tilgung vernichtet wird. Die Geldmenge schrumpft, es droht Deflation. Es muss wieder ein Kredit aufgenommen werden, um das fehlende Geld auszugleichen. Dieser Kredit wird in der Regel für eine Investition vergeben und genutzt. -> Wachstum

2. Positive Zinsen sorgen für eine Umverteilung des Geldes von der Masse zu den Vermögenden. Nur 10% der Menschen in Deutschland haben mehr Zinseinnahmen als Zinsausgaben. Dort konzentriert sich das Vermögen. Dadurch, dass es dort nicht hauptsächlich ausgegeben (Konsum im Wirtschaftskreislauf), sondern investiert oder angelegt wird (im Finanzkreislauf), fehlt es in der (Real-)Wirtschaft. Dieser Abzug der Geldmenge in der Wirtschaft muss durch neue Investitionen ausgeglichen werden. Das Geld dafür kommt entweder von den Vermögenden (zurück), zum allergrößten Teil aber aus Krediten, also „neuem Geld“.

D.h. also das Geld, das dem Wirtschaftskreislauf durch Tilgung und Hortung entschwindet, muss durch „neues Geld“ aus Krediten wieder aufgefüllt werden. Diese Kredite werden in der Regel für Investitionen der Wirtschaft gewährt. Des weiteren steigen die Vermögen und die damit verbundene Zinslast permanent und muss durch eine stetig wachsende Geldmenge bedient werden. Das ist meiner Meinung nach der Wachstumszwang, denn wenn dieses abfließende Geld nicht ersetzt wird, und nicht ständig „aufgestockt“ wird, drohen Deflation mit Arbeitsplatzabbau und allen anderen Konsequenzen.

Die Regierung sieht hier jedoch einen ganz anderen Wachstumszwang. Denn wenn es in der Wirtschaft mit der Kreditvergabe „hakt“, hilft der Staat nach und verschuldet sich, oder setzt Konjunktur- oder Wachstumsimpulse, damit andere stärker angeregt werden, sich verschulden.

Dabei ist immer die Hoffnung der Regierung(en), dass die Wirtschaft sich stärker bzw. schneller verschuldet, als sie selbst, damit sie eine Chance hat, ihre eigene Verschuldung durch höhere Steuereinnahmen zurück zu fahren. Denn dieser Punkt – mehr Konsequenz, als Ursache – ist das erforderliche BIP-Wachstum, um die Staatsverschuldung zu kompensieren. Dieses BIP-Wachstum, ist das, woran die meisten Menschen bei „Wachstum“ denken.

Da sich immer irgendjemand verschulden muss, um die Geldmenge zu erhöhen, bzw. die Abflüsse zu kompensieren, springt also auch der Staat ein, in der Hoffnung, dass durch seine Investitionen das BIP und somit die Steuereinnahmen steigen. Bzw. er holt sich mit dem Verkauf von Staatsanleihen das fehlende Geld von den Vermögenden (zurück), um es in den Wirtschaftskreislauf zurück zu speisen. (An dieser Stelle könnte man natürlich ketzerisch fragen, warum der Staat sich dieses Geld nicht über Steuern holt. Also warum Steuern auf hohe Einnahmen und Zinseinnahmen sinken, während gleichzeitig die Staatsverschuldung ansteigt.)

Etwas naiv finde ich die Frage des Autors, warum es trotz angeblichen Wachstumszwang nicht immer Wachstum gibt. Wie oben erläutert gibt es die Notwendigkeit zum Wachstum (Geldmengenausweitung), um Deflation zu vermeiden. Was aber keine Wachstumsgarantie ist.

Niedrigzins ist nicht Freigeld
Die aktuelle Phase des Niedrigzins entspricht nicht der Idee der „negativen Zinsen“ der Freigeldanhänger. Bei der Freigeld-Idee gibt es einen negativen Zinsen (auch Umlaufsicherung, Umlaufgebühr, Anti-Hortungsgebühr, Umlaufimpuls, Umlaufantrieb genannt), der auf Bargeld (und Giralgeld) angewendet wird. Der Kreditzins nahe Null ist da nur eine Konsequenz von Angebot und Nachfrage am Markt. Die aktuelle Situation entspricht dieser Idee in keiner Weise.

Aber richtig ist wohl, dass Kredite zu 0% zu „unbedachten“ Investitionen führen könnten. Hier würde ein Vollgeld helfen, die Geldmenge direkt unter Kontrolle zu halten.

Weiter ist auch richtig, dass es positive Zinsen nur mit extrem hohem Risiko geben würde; oder durch Investitionen in die Realwirtschaft. Aber auch Dividenden würde es wohl nicht mehr geben, denn mit Krediten zu 0% und Menschen, die froh sind, wenn ihr Geld bzw. Kapital wenigstens nicht an Wert verliert, wird es dafür in der Regel keine Notwendigkeit geben. D.h. einfach nur jemandem Geld leihen wird nicht ausreichen, um Rendite zu bekommen. Man muss eine Geschäftsidee erfolgreich umsetzen, um eine realwirtschaftliche Rendite zu erzielen.

Die Kritik, dass bei Freigeld, also Geld mit einem „Umlaufantrieb“ ebenso ein Wachstumszwang entsteht, wie derzeit, scheint auf den ersten Blick berechtigt. Wenn alle immer sofort konsumieren, um der Gebühr zu entgehen, wird es Wachstum geben. Das wird wahrscheinlich so sein. Es wird aber eher ein Wachstumsdrang, als -zwang sein. Denn es wird eher ein Konsum-Wachstum sein, bei dem die Menschen ihr Geld schneller ausgeben (Geld läuft schneller um) und für Mehreinnahmen sorgt; im Gegensatz zum jetzigen Investitionswachstum, das auf billigere Produktion und Effizienzsteigerung auf Kosten von Mensch und Natur abzielt.

Vier Gründe, die für Freigeld sprechen.

1. Es wird weniger „spekulatives Geld“ geben, denn das Vorhalten wird teuer sein. Je kurzfristiger das Geld verfügbar sein muss, um so teurer wird es. Die Menschen werden entweder konsumieren, oder langfristig anlegen.
2. Dieses Wachstum wird durch Konsum finanziert sein, nicht durch Investition. D.h. die Einnahmen werden sich erhöhen, bzw. früher verfügbar sein, wodurch höhere Löhne oder Investitionen möglich sind. Es wird aber keinen Kredit-finanzierten Investitionsdruck geben. Stattdessen werden Kunden in Vorleistung gehen und z.B. Handwerkern schon vorab bezahlen, um der Gebühr zu entgehen. (Einnahmen stehen schneller zur Verfügung)
3. Durch die direkte Steuerung des „negativen Zinses“ auf Bargeld (und Giralgeld) wird die Umlaufgeschwindigkeit exakt steuerbar sein. Mit Vollgeld könnte zudem auch die Geldmenge exakt gesteuert werden. Heute ist weder die Geldmenge, geschweige denn die Umlaufgeschwindigkeit direkt steuerbar.
4. Keine Vermögenskonzentration durch Zinsen und Dividenden. Ein Anwachsen der Vermögen durch Zinsen wird nicht mehr möglich sein. D.h. ein Zwang zur Neuverschuldung, um das Geld, das durch Zinszahlung aus dem Wirtschaftskreislauf abgeflossene ist, zu kompensieren, wird nicht notwendig sein. Gleichzeitig wirkt es dem Auseinanderdriften der Arm-Reich-Schere entgegen.

Wenn man einfach mal nur überlegt, wie man die beste Kontrolle über die Geldmenge und deren Umlaufgeschwindigkeit bekommt, muss man Vollgeld und Freigeld in Kombination betrachten. Direkte Kontrolle der Geldmenge, sowie direkte Kontrolle der Zinsen für Bar- und Giralgeld, ohne dass beide Größen durch Banken und deren eigene Profit-orientierte Interessen verwässert werden.

„Ist es nicht sinnvoll, wenn bei überhitzender Konjunktur und
entsprechend überschäumender Kreditnachfrage die Zinsen steigen können, um die Überhitzung zu verhindern?“
Natürlich kann die Umlaufgebühr der Konjunktur angepasst werden. Das passiert aber im Gegensatz zu heute direkt. Und die Zinsen für Kredite werden sich immer noch am Markt finden, sie werden nicht durch die Zentralbank bestimmt.

Nebenbei:
Ist es wirklich gut, wenn der Markt entscheidet, wer „gut“ und wer „schlecht“ ist? Banken haben ihre eigenen Interessen. Deswegen muss ihnen ja auch der Gesetzgeber vorschreiben, wie sie gut und schlecht definieren sollten. Und der Vorwurf, wenn die ZB alleine den Zins bestimmen würde, wären eventuelle Fehler noch fataler, weil dann kein Markt mehr dazwischen ist, der mit noch mehr Wissen diese Fehler wieder ausbügelt ist ein Eigentor. Man muss sich doch nur die Subprime-Krise anschauen, als die FED den Fehler gemacht hat, zu lange zu billiges Geld auszugeben. Die Banken haben diesen Fehler nicht kompensiert, sondern potenziert, in dem sie auf „Gedeih und Verderb Kredite rausgehauen“ haben, an Menschen, die sich bei „normalen“ Zinsniveau kein Haus hätten leisten können.

1. Goldstandard
Eine fixe Geldmenge ist schlecht. Denn die Geldmenge muss zur Wirtschaftskraft passen, sie muss mit ihr schrumpfen und wachsen können. Bei echtem Goldstandard hätte man bei wachsender Wirtschaft permanente Deflation.

Nebenbei:
Man braucht keine „Deckung“ für ein Geldsystem. Ein staatlich verordnetes Zahlungsmittel, wie die DM oder der Euro, werden bereits durch die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft gedeckt. Die Goldstandardanhänger behaupten immer wieder gerne: nur Gold ist echtes Geld. Dem möchte ich widersprechen. Auch wenn Gold eine Jahrtausende alte Tradition als Wertaufbewahrungsmittel hat, und wohl unbestritten auch als „echtes Geld“ bezeichnet werden kann, so ist es nicht das Einzige. Echtes Geld, ist alles, was funktioniert. Ob es einen inneren Wert hat, wie Gold, Schnaps und Zigaretten, oder nicht, wie Papiergeld.

2. Free Banking
Ja, das sehe ich wie der Autor. Ich denke, dass es in einem solchen System keinen realen Wettbewerb geben würde. Zudem dürfte es ziemlich umständlich sein, immer mit verschiedenen Währungen zu agieren. Aus meiner Erfahrung heraus ist es vielen Geschäften schon zu viel Umstand, ein Regionalgeld neben dem Euro einzuführen. Wie werden sie wohl reagieren, wenn es zig Währungen gibt, die in ganz Europa erlaubt sind? Es wird sich ziemlich schnell eine Währung herauskristallisieren, die von allen akzeptiert wird, um den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Damit hat man dann ein quasi-Monopol.

3. Vollgeld
Bei der Vollgeldidee (Monetative, nicht 100%-Money) muss man ganz klar zwei Aspekte der Idee getrennt betrachten und darf sie nicht vermischen.
1. Die exakte Kontrolle der Geldmenge
2. Das „Verschenken“ des Geldes, um so eine Basis schuldenfreien Geldes zu erzeugen.

a. Wenn die ZB Geld schafft und verschenkt, können dadurch natürlich Schulden abgebaut werden.

b. Die ZB hätte weiterhin alle Möglichkeiten, der Geldmengensteuerung, wie jetzt auch; d.h. Leitzinsen, diverse Tender, etc. für kurzfiristige Geldmengenänderungen, sowie zusätzlich die Möglichkeit zu schenken, um die Geldmenge dauerhaft zu erhöhen. Außerdem könnte sie durch den Empfänger der Schenkung direkten Einfluss auf die Wirtschaft nehmen. Sie könnte es der Regierung schenken, den Bürgern oder auch den Unternehmen. (Hier kommt natürlich sofort die Frage auf, ob das der Auftrag der ZB ist.)

c. Wer entscheidet, wem das Geld gegeben wird? Wie wär’s mit dem Volk? Schließlich leben wir ja in einer Demokratie, oder?!

d. Hier habe entweder ich etwas nicht verstanden, oder der Autor.
Für die Geldmenge gibt es aktuell verschiedene Größen (M1 – M3). M3 ändert sich nicht, wenn langfristig angelegte Gelder in Kurzfristige umgewandelt werden. Was sich ändert ist das Verhältnis M1 : M3-M1.
Das ist so, weil alles elektronische Geld (ZB-Geld ausgenommen) Buchgeld ist.
Mit Vollgeld würde sich das wohl nicht ändern. Es würde wahrscheinlich analog Bar- und Zentralbankgeld zu M0 und M1 gezählt. Die Menge an Vollgeld würde sich durch langfristiges Anlegen nicht ändern, es wechselt nur den Besitzer, aber die Buchgeldmenge würde sich ändern. D.h. es wäre der gleiche Vorgang, wie aktuell die Einzahlung von Bargeld auf ein Girokonto.
Wenn man aber etwas verwaschen von „der Geldmenge“ spricht, und vielleicht M1 meint, gäbe es mit Vollgeld wohl auch kaum einen Unterschied. Denn auch Tagesgelder zählen zu M1, jedoch nicht zu Vollgeld. Bei einem Abziehen langfristiger Gelder, gäbe es auch  mit Vollgeld (genau wie bisher) ein „Aufblähen“ von M1 zu Lasten von M3-M1. Jedoch gäbe es keine Änderung der Vollgeldmenge, sowenig wie es heute dadurch eine Änderung der Bargeldmenge gibt.
Deswegen verstehe ich nicht, worauf der Auto hier hinaus will.

e. Ich finde, es ist das kleiner Übel, wenn eine unabhängige (am besten noch demokratisch gewählte) Stelle etwas entscheidet, was die Allgemeinheit betrifft, ohne dass sie selbst davon profitiert. Wenn sie einen Fehler macht, kann sie ihn bei der nächsten Entscheidung wieder ausbügeln.
Das größere Übel liegt für mich in „dezentralen“ Entscheidungen, auf die man kaum Einfluss hat, die zwar viele sind, aber alle nach den gleichen (Gewinn-orientierten) Interessen, zum eigenen Vorteil getroffen werden, die dann auch noch die Allgemeinheit betreffen, ohne dass sich jemand dafür verantworten muss.
Siehe auch Subprime-Krise weiter oben.

Etwas böse könnte man auch behaupten, dass die ZB aktuell eigentlich nur versucht durch antizyklische Maßnahmen, die ständigen Fehlentscheidungen der Banken zu kompensieren.

Ein Problem sehe ich jedoch beim Vollgeld. Es bietet auch keine Möglichkeit, das Geld „in die richtige Richtung“ zu lenken. Es gäbe zwar eine schuldenfreie Geldbasis (Schenken vorausgesetzt), die die Zinslast für die Allgemeinheit senken würde. Jedoch würde die Vermögenskonzentration durch positive Zinsen nicht aufgehalten. D.h. auch wenn es schuldenfreies Geld gäbe, würde es sich irgendwann bei den Vermögenden sammeln und die Wirtschaft müsste es sich wieder zurück leihen.

Interessant finde ich dann die Aussage des Potsdamer Ökonomen Armin Haas, dass „Ökonomen ehrlicherweise einräumen müssten, sehr wenig über die Funktionsweise des Geldes zu wissen.“
Es scheint aber auch niemand wirklich kaum jemand zu interessiert sein, diesen Zustand des Unwissens zu ändern.

Die Wirtschaftswissenschaft macht bei der Geldtheorie z.B. keinen großen Unterschied zwischen Geld ausgeben und Sparen. Für sie ist es völlig transparent: das Geld ist da, also macht es auch irgendwas. Es wird entweder ausgegeben oder gespart, wobei Sparen dem Ausgeben gleich kommt, denn sobald es gespart wird, steht es direkt jemand anderem für Investitionen zur Verfügung und sorgt eben dort für Umsatz.

Das ist meiner Meinung nach völlig falsch. Nehmen wir folgendes Beispiel: Ich kaufe jeden Tag bei meinem Bäcker zwei Brötchen. Eines Tages kaufe ich aber nur noch ein Brötchen und spare das Geld für das Zweite. Dem Bäcker fehlen aber nun Einnahmen. Großzügig, wie ich bin, leihe ich ihm mein Erspartes. Sagen wir für eine Investition in eine Maschine, die billigere Brötchen herstellt, denn er muss ja irgendwie den Einnahmeverlust ausgleichen (ein Brötchen weniger, das er verkauft) und zusätzlich das geliehene Geld zurück zahlen. Jetzt bekomme ich als Sparer nicht nur billigere Brötchen, sondern auch noch Zinsen auf das verliehene Geld. Und wenn ich die Zinsen behalten, fehlt den anderen noch mehr Geld und sie klopfen irgendwann an meine Tür, um sich noch mehr zu leihen.

Und real ist es ja noch viel komplizierter. Ich leihe mein Geld nicht dem Bäcker, sondern der Bank und bekomme von ihr die Zinsen. Die Bank schafft Geld aus dem Nichts, das sie dem Bäcker leiht und bekommt dafür noch mehr Zinsen. Die dadurch entstehende systemimmanente Dynamik – nämlich die Umverteilung des Geldes resp. Kapitals durch Zinsen – muss unbedingt beachtet werden und in die Wirtschaftstheorien einfließen!

Bitcoin Exkurs
„Sind die Bitcoins damit nicht unfreiwillig zum Beweis dafür geworden, dass es beim Kampf gegen Finanzblasen überhaupt nichts hilft, die Menge an Geld strikt zu kontrollieren?“
Nein. Hier vermischt der Autor das Kaufmittel Geld mit dem Spekulationsobjekt. Bitcoin ist ein unfälschbares elektronisches Geld mit begrenzter Menge. Aber es ist kein offizielles Zahlungsmittel, sondern auch Ware (mit begrenztem Angebot) und unterliegt somit Spekulation und Nachfrage. Dass sich mit zunehmendem Interesse, also Ausweitung der Nutzung, Deflation des Geldes – = Wertsteigerung der Ware Bitcoin – ergibt ist nur natürlich. Aber die Blase bzw. Schwankung im Wert der Ware Bitcoin unterliegt den gleichen Gesetzmäßigkeiten, wie alle anderen Waren (Gold, Immobilien, …) auch und hat nichts mit der Idee „Bitcoin als Geld“ zu tun.

IV
Zu Fußnote 8: In einem Vollgeld-System gäbe es keine  Geldmengenausweitung durch Verbriefung.

Die Frage die immer wieder auftaucht, ist: Trägt die Kreditgeldschöpfung der Banken dazu bei, Blasen zu erzeugen. Und wenn ja, wie stark?

Wenn dem so wäre, warum gab es solche Schwankungen nicht in den 50er – 70er Jahren? Vielleicht lag es an der starken Regulierung. Ich denke aber, es lag auch daran, dass das System am Anfang stand, gerade erst gestartet war. Am Anfang waren die Vermögen relativ gleichmäßig verteilt und es gab „viel zu tun“. Häuser und Industrie mussten wieder aufgebaut werden. Es gab eine große Notwendigkeit die Realwirtschaft wieder aufzubauen. Das Geldsystem, dass hier beliebig viel Geld aus dem Nichts schaffen konnte hat sicherlich dazu beigetragen, dass es so gut funktioniert hat

Aber unser Geldsystem, und damit unsere Wirtschaft, und die Verteilung der Vermögen entwickeln sich exponentiell. D.h. am Anfang läuft es lange gut. Aber irgendwann kommt man in einen Bereich, wo die Wachstumskurve zu steil wird, die Verteilung der Vermögen so ungleich und die Zinslast auf der Allgemeinheit so stark wird, dass es nicht mehr tragbar ist. Die Nachfrage nach realwirtschaftlicher Arbeit sinkt, die Konsumkraft der Masse sinkt und kann den Zinsforderungen der Kapitalbesitzer immer schwerer nachkommen.

Nebenbei
Besonders fatal ist es dann, in dieser Situation die Besteuerung der Superreichen zu verringern und die fehlenden Einnahmen mit der Ausgabe von Staatsanleihen zu kompensieren.

 

Resümee

Es wurden in dem Text einige Probleme angesprochen: Blasen und Finanzmarktblasen, Kreditexzesse, Abwandern von Kapital aus der Realwirtschaft in die Finanzwirtschaft.
 
All diese Punkte muss man sehr differenziert betrachten, wie man auch die Lösungsansätze genauso differenziert betrachten muss. Nicht jeder Lösungsansatz behebt alle Probleme. Es gibt nicht „das Allheilmittel“. Jedoch werden die „radikalen“ oder „alternativen“ Lösungsansätze, wie z.B. Vollgeld, oft daran gemessen. Meist heißt es nur „Das ändert ja vielleicht das, ABER dieses oder jenes Problem wird damit nicht behoben.“

Dass man Blasen und Finanzexzesse ganz verhindern kann, wage ich zu bezweifeln. Solange es überflüssiges (nicht für den Lebensunterhalt notwendiges) Geld gibt und den Hang zur Gewinnoptimierung (Gier, Herdentrieb, etc.), werden Blasen entstehen. Inwieweit Blasen heutzutage durch Kreditgeld gefördert werden, muss wissenschaftlich untersucht werden. Die Subprime-Krise springt einem dabei aber geradezu ins Auge. Ohne billige Kredite (aus dem Nichts) und deren Verbriefung, um noch mehr Kreditgeld schöpfen zu können, wäre das wahrscheinlich nicht so ausgeartet.

Ich plädiere dafür, die Vollgeld-Idee und die Umlaufgebühr makroökonomisch zu untersuchen. Gerade im Hinblick auf die Quantitätsgleichung müssen einem diese beiden Ideen eigentlich sofort ins Auge springen.